Greenpeace: Autolobby verhindert Aufklärung des Abgasskandals
Archivmeldung vom 19.04.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAufklärung im Abgasskandal und strengere Umweltauflagen für Neuwagen verhindert die deutsche Autoindustrie mit einer wirkungsvollen Lobbystrategie. Deren Mechanismus entlarvt das heute von Greenpeace veröffentliche "Schwarzbuch Autolobby" mit 33 Portraits aus dem Geflecht zwischen Politik und Autoindustrie.
Die Branche wirbt gezielt hochrangige Funktionäre aus dem Kanzleramt und Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ab. Diese alten Verbindungen nutzen die Konzerne, um die Ziele der Industrie politisch durchzusetzen. "Die Einflüsterer der Autolobby steuern den Verkehrssektor mit ihren politischen Kontakten in den toten Winkel der Umweltpolitik", sagt Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup. "Auch die mangelnde Aufklärung des Abgasskandals ist das Ergebnis der gut geölten Drehtür zwischen Politik und Autolobby." Erst vergangene Woche hat die Opposition aus Grünen und Linken angekündigt, einen Untersuchungsausschuss zum VW-Skandal einzusetzen. Das Schwarzbuch online: www.greenpeace.de/schwarzbuch-autolobby
Mit dem Schwarzbuch zeigt Greenpeace die Strategie der Autoindustrie. Sie heuert politisch bestens vernetzte Seitenwechsler wie Eckart von Klaeden (CDU), Matthias Wissmann (CDU) oder Thomas Steg (SPD) als Lobbyisten an und verschafft sich über deren Insiderwissen und Kontakte Zugang zu politischen Entscheidern. Die Seitenwechsler nutzen ihren Einfluss, um aus Spitzenpolitkern Lautsprecher der Branche zu machen. Von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bis hin zu Regierungschefin Angela Merkel (CDU) vertreten diese Politiker nicht nur die Positionen der Autokonzerne, oft setzen sie auch deren Interessen durch. Daneben finden sich Doppelspieler wie der heutige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), die sowohl in der Politik wie auch der Autoindustrie arbeiteten. "Es ist kein Zufall, dass die Verkehrspolitik der Bundesregierung nicht den Verbrauchern oder der Umwelt nutzt, sondern kurzfristig der Branche selbst. Der dichte Filz zwischen Industrie und Politik gehört endlich aufgelöst", fordert Austrup.
Autoindustrie verbaut sich eigene Zukunft
Mit ihrer Lobbyarbeit schadet sich eine der wichtigsten deutschen Industrien selbst. Der Verkehrssektor steht vor grundlegenden Veränderungen. Mit Tesla oder Google drängen mächtige neue Akteure auf den Markt. Immer mehr Städte reagieren mit teilweise massiven Beschränkungen für Autos auf anhaltende Luftprobleme. Zudem muss nach dem Pariser Abkommen auch der Verkehrssektor endlich einen Beitrag zum Klimaschutz liefern. "Indem sie Umweltauflagen verwässern und Innovationen bremsen, verbauen sich die deutschen Autobauern ihre Zukunft. Wenn sie nicht das Schicksal der taumelnden Stromkonzerne erleiden wollen, müssen sie endlich Antworten auf den Wunsch nach sauberem und nachhaltigem Verkehr entwickeln", sagt Austrup.
Die enge Verbindung zwischen Industrie und Politik hat eine lange Liste verkehrspolitischen Umweltversagens verursacht: von manipulierten Abgaswerten über schwache CO2-Grenzwerte bis zu trügerischen Verbrauchsangaben und großzügigen Dieselprivilegien. Auch zum Klimaschutz haben die Autobauer bislang nicht beitragen. Seit 1990 stagniert der CO2-Ausstoß des Verkehrssektors auf hohem Niveau.
Quelle: Greenpeace e.V. (ots)