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Zentralratspräsident: Antisemitische Äußerungen "salonfähig geworden"

Archivmeldung vom 20.01.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.01.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Josef Schuster (2015), Archivbild
Josef Schuster (2015), Archivbild

Foto: Freud
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat davor gewarnt, dass antisemitische Äußerungen in Deutschland zum Teil "salonfähig geworden" seien. Es gebe heute wieder jüdische Menschen in Deutschland, die sich fragten, ob sie hier auf Dauer sicher leben könnten, sagte Schuster der RTL/n-tv-Redaktion.

"Gerade die Ereignisse der letzten zwei Jahre – Angriffe auf Menschen, die mit einer Kippa durch die Stadt gehen oder der versuchte Terroranschlag in Halle, der zwei unschuldigen Menschen das Leben gekostet hat – sind Ereignisse, die das Sicherheitsgefühl jüdischer Menschen mit einer gewissen Unsicherheit behaftet haben", so der Zentralratspräsident weiter.

Eine Woche vor dem internationalen Gedenken und 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz verwies Schuster auf Umfragen der vergangenen Jahre, die zeigten, dass 20 bis 25 Prozent der Menschen in Deutschland antijüdische Vorurteile und Ressentiments hätten. "Geändert hat sich allerdings, dass man sich offensichtlich wieder traut das zu sagen, was man lange Zeit gedacht hat, sich aber nicht getraut hat zu sagen. Es ist also salonfähiger, zum Teil auch salonfähig geworden, sich antisemitisch zu äußern", so der Zentralratspräsident. Er mahnte in diesem Kontext an: "Aus Worten folgen Taten."

Zudem hätten auch "Hassmails und Drohbriefe sowohl in der Anzahl, wie auch in der Ausdrucksweise, der Intensität und Heftigkeit zugenommen. Nicht nur anonym, sondern zum Teil auch mit Klarnamen, Adresse und Absender", sagte Schuster. Er lobte wiederum die klaren Signale gegen Antisemitismus, die aus Bayern kämen: "Das bayerische Kabinett war das erste Kabinett, das die Antisemitismus-Definition der `International Holocaust Remembrance Alliance` angenommen und verbindlich für sein Gebiet erklärt hat", so der Zentralratspräsident. Das sei ein "klares Signal, dass man nicht bereit ist, Antisemitismus zu dulden. Da erwarte ich mir von anderen Bundesländern mitunter noch etwas klarere Signale", sagte Schuster.

Mit Bezug auf die Justiz forderte er schnelleres Handeln: "Ich glaube, dass die Problematik und die Folgen antisemitischer Reden und Straftaten in dieser Form bislang nicht so gewürdigt und erkannt wurden", so der Zentralratspräsident weiter. Entsprechende Äußerungen in den sozialen Medien seien "in meinen Augen öffentlich und deswegen auch strafrechtlich zu würdigen". Außerdem habe man mit sehr "milden Urteilen" keine abschreckende Wirkung. "Ich denke es ist notwendig, juristisch abschreckende Signale zu senden", sagte Schuster der RTL/n-tv-Redaktion. Auch zum Terroranschlag auf eine Synagoge in Halle (Saale) im Oktober 2019, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, äußerte sich der Zentralratspräsident: Ihn habe es "erschüttert", dass die Synagoge keinen Polizeischutz gehabt habe – gerade an einem solchen Feiertag. "Ich bin nicht davon ausgegangen, dass wir Bundesländer haben, wo das bislang nicht der Fall war", so Schuster.

Quelle: dts Nachrichtenagentur


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