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Zeitung: Finanzministerium zerpflückt Bahrs Pflegereform

Archivmeldung vom 17.02.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.02.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Daniel Bahr Bild: Michael Dedeke / daniel-bahr.de
Daniel Bahr Bild: Michael Dedeke / daniel-bahr.de

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) muss seinen Gesetzentwurf zur Pflegereform erheblich nachbessern: In einer regierungsinternen Stellungnahme des Finanzministeriums wird der Entwurf in zahlreichen Punkten als mangelhaft kritisiert. "Das Bundesfinanzministerium kann dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form nicht zustimmen, da er aus hiesiger Sicht nicht den Vorgaben der `Eckpunkte zur Umsetzung des Koalitionsvertrages für die Pflegereform` entspricht", heißt es in dem fünfseitigen Papier, das "Welt online" vorliegt. Zuvor hatte bereits das Arbeitsministerium seine Zustimmung zu Bahrs Gesetzesplänen verweigert.

Die Reform soll in den nächsten Monaten vom Bundestag verabschiedet werden. Es sieht ab 2013 vor allem für Demenzkranke bessere Leistungen vor. Ab 2013 soll dafür der Pflegebeitrag um 0,1 Punkte auf 2,05 Prozent vom Bruttolohn steigen.

Die Beamten von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stören sich vor allem daran, dass Bahr die Kostenwirkungen seiner Reform nicht genau genug kalkuliert und aufgelistet hat. Sie rechnen unter anderem vor, dass wegen der Beitragsanhebung die Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer jährlich um 135 Millionen Euro zurückgehen. Das Gesundheitsministerium dagegen hatte die steuerlichen Folgen der Beitragsanhebung mit "etwa einer Million Euro" angegeben. Nach Meinung des Finanzministeriums sind auch "Mehrausgaben (...) bei der Arbeitslosenversicherung zu erwarten, die in der Kostenaussage bisher nicht enthalten sind." Der Gesetzentwurf müsse hier ergänzt werden. Außerdem verursache das Gesetz bereits in diesem Jahr Mehrkosten, denen "keine Mehreinnahmen gegenüber stehen."

Tatsächlich geht das Gesundheitsministerium für 2012 von zwei Millionen Euro Mehrkosten aus, ohne zu nennen, wie sie finanziert werden. Auch die Mehrausgaben in den folgenden Jahren bis 2015, für die über die Beitragsanhebung 1,1 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich in die Pflegekasse kommen sollen, hält das Finanzministerium nicht ausreichend gedeckt. Auf den folgende n Seiten ihrer Stellungnahme bezweifeln Schäubles Beamte außerdem, dass Bewohner von Pflegeheimen zu wenig Hausbesuche von Ärzten bekommen: "Es erscheint fraglich, dass entsprechende zusätzliche ärztliche Leistungen in relevanter Anzahl zur Verringerung von Krankentransporten oder gar zur Vermeidung unnötiger Krankenhauseinweisungen führen." Die genannten Regelungen dürften vielmehr zu "beträchtlichen Mehrkosten" für die gesetzlichen Krankenkassen führen. In den Eckpunkten zur Pflegereform habe die Koalition aber vereinbart, dass die Reform vollständig durch die Anhebung des Pflegebeitrags finanziert werde.

Ein weiterer Kritikpunkt könnte noch zu erheblichem Streit in der Koalition und zwischen den Ministern Bahr und Schäuble führen. Der FDP-Politiker Bahr will für den Ausbau einer privaten und kapitalgedeckten Pflegevorsorge "eine aus Steuermitteln finanzierte Förderung" in das Gesetz schreiben lassen. CDU-Mann Schäuble dagegen will, dass diese private Vorsorge nur durch "eine steuerliche Förderung" unterstützt wird. Was wie Wortklauberei aussieht, hat milliardenschwere Folgen. Bahrs Pläne würden bedeuten, dass private Pflege-Zusatzversicherungen mit einem direkten Zuschuss des Staates gefördert werden können. Wer also eine solche Versicherung beispielsweise für 50 Euro pro Monat abschließt, könnte zehn Euro vom Staat bekommen. Die finanziellen Folgen eines solchen Geldgeschenks für den Bundeshaushalt wären schwer kalkulierbar. Schäuble möchte deshalb nur, dass die Kosten für eine solche Versicherung von der Steuer absetzbar sind. Das kostet den Bundeshaushalt weniger und ist offenbar besser kalkulierbar. Die Absetzbarkeit begünstigt allerdings Gutverdiener, die sich eine Zusatzversicherung ohnehin leisten können.

Der Konflikt zwischen Bahr und Schäuble schwelt bereits seit einigen Wochen. Die Gespräche zwischen den beiden Ministerien in dieser Angelegenheit kommen nicht vom Fleck. Bahr will Schäubles Pläne auch deshalb verhindern, weil die steuerliche Förderung von Zusatzversicherungen im Bundesrat zustimmungs pflichtig wäre. Dort aber hat die schwarz-gelbe Koalition keine Mehrheit. Dieser Teil von Bahrs Pflegereform könnte dort dann komplett scheitern.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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