Union und SPD erreichen Annäherung bei Hartz IV-Erhöhung
Archivmeldung vom 16.02.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Zwist um die Hartz-Reform haben Union und SPD bei einem Vermittlungstreffen von drei Ministerpräsidenten nach Informationen aus Verhandlungskreisen in zentralen Punkten Annäherungen erreicht. Die Unionsseite - vertreten durch die Regierungschefs von Sachsen-Anhalt und Bayern, Wolfgang Böhmer (CDU) sowie Horst Seehofer (CSU) - haben sich nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" offen gezeigt, den Hartz-IV-Regelsatz über die bislang angebotenen fünf Euro hinaus zu erhöhen, hieß es in den Kreisen.
Diskutiert werde jetzt über eine Steigerung von acht Euro, um den Regelsatz auf dann 367 Euro zu erhöhen. Auch seien zusätzliche Sonderleistungen für Familien mit Kindern im Gespräch. Böhmer, Seehofer und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hätten auch Fortschritte bei der bislang umstrittenen Finanzierung des Bildungspakets für Kinder aus armen Familien erzielt, für der der Bund bislang vier Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung stellen will. Auch seien die Unions-Ministerpräsidenten offen für die Forderung der SPD, zumindest 3000 Sozialarbeiter an Schulen in sozialen Brennpunkten einzustellen.
Mit der Finanzierungsfrage des Bildungspakets soll sich nach dem Willen der drei Ministerpräsidenten in den nächsten Tagen eine Arbeitsgruppe beschäftigen. Fortschritte habe es auch bei den Fragen von Mindestlöhnen für Beschäftigte spezieller Branchen gegeben, nicht aber bei der von SPD und auch den Grünen geforderten möglichst schnellen Gleichbezahlung von Leiharbeitern und Festangestellten. Ob die Pläne der Ministerpräsidenten für die jeweiligen Parteien, Bundestagsfraktionen sowie für FDP und Grünen akzeptabel sind, war nach dem Treffen der drei Länderchefs völlig offen.
Hunderttausende kommen nicht aus Hartz IV heraus
Die Hartz-Reformen haben für knapp eine halbe Million Menschen bisher nichts gebracht. 436.000 Personen, die seit Einführung der staatlichen Grundsicherung im Jahr 2005 dauerhaft auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) angewiesen und auf Jobsuche sind, ist es nicht gelungen, eine existenzsichernde Beschäftigung aufzunehmen. Diese Zahl hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) erstmals auf Anfrage der "Süddeutschen Zeitung" vorgelegt. Der Personenkreis, der seit 2005 ununterbrochen Hartz IV bezieht, aber nicht dauerhaft als arbeitssuchend gilt, ist noch deutlich größer. Er ist nach Angaben der BA sogar mit 1,42 Millionen Personen fast dreimal so hoch.
Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, sagte der Zeitung: "Die Aktivierung, Förderung und Vermittlung von Arbeitslosengeld-II-Beziehern ist bisher nicht optimal." Der DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy kritisierte, dass den Hartz-IV-Beziehern in den Jobcentern oft "stabile Ansprechpartner" fehlten. Auch reichten die arbeitsmarktpolitischen Hilfen meist nicht aus. Eine Sprecherin der BA erklärte, viele Hilfsbedürftige seien aus der Sozialhilfe in die Grundsicherung übernommen worden. Diese Menschen seien mehr als "langzeitarbeitslos". Sie hätten zum Beispiel gesundheitliche Probleme; oder ihnen fehle die schulische und berufliche Bildung. Darunter befänden sich auch viele, die nicht länger als drei Stunden am Tag arbeiten könnten. Für solche begrenzt Erwerbsfähigen gebe es aber keine Jobs auf dem Arbeitsmarkt. Die Sprecherin wies darauf hin, dass unter die 1,42 Millionen Dauer-Hartz-Empfänger nicht ausschließlich nicht- oder schwervermittelbare Personen fallen. So gebe es zum Beispiel 370.000 Alleinerziehende und 90.000 Hilfsbezieher im Vorruhestand, die sich ganz legitim vom Arbeitsmarkt zurückgezogen hätten. Um diese und andere Gruppen bereinigt, blieben etwa 436.000 Menschen übrig, die - trotz Jobsuche - seit 2005 dauerhaft Hartz IV erhalten. Darin enthalten seien aber auch "Aufstocker", die wegen ihres geringen Arbeitseinkommens zusätzlich Hartz IV benötigen. Hundt sprach hier von Fehlanreizen, welche die Regierung bei der Reform der Hinzuverdienst-Regeln nicht abgebaut habe. "Diese Regeln machen es nach wie vor für viele attraktiv, nur mit einem Minijob in der Fürsorgeleistung zu verharren." DGB-Experte Adamy sagte, zu viele Arme seien in einem "Prekariatskreislauf" gefangen. Sie erlebten einen ständigen Wechsel zwischen Leiharbeit, befristeter Beschäftigung und Hartz IV, ohne eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben.
Quelle: dts Nachrichtenagentur