Bundestagspräsident Norbert Lammert sieht angesichts der Wirtschaftskrise Renaissance des Staates
Archivmeldung vom 08.05.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat beim WDR Europa Forum in Berlin davor gewarnt, die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise trotz aller derzeitigen Probleme künstlich zu dramatisieren. "Das ist weder die Zeit für Katastrophenrhetoriker noch für Paniker.
Diese globale Krise lässt sich nur gemeinsam oder gar nicht lösen", meinte Lammert. Der Bundestagspräsident erinnerte daran, dass Europa in der Vergangenheit mit wesentlich größeren Krisenphänomen fertig geworden sei, etwa mit der "größten Katastrophe unseres Kontinents", dem Zweiten Weltkrieg, der heute vor 64 Jahren endete.
Lammert sah im Zuge der aktuellen Krise eine Renaissance des Staates. "Dass Märkte sich nicht selbst erhalten können, haben wir gelernt. Der Staat, auf den jetzt wieder alle bauen, ist eben kein liebenswürdiger Anachronismus. Die Politik ist zurück." Niemand dürfe jetzt jedoch den Staat für jedes denkbare Problem in Haftung nehmen. Dies sei weder sinnvoll, noch für die Staaten zu leisten. Der CDU-Politiker äußerte sich sehr zufrieden, dass sich Europa mit großer Solidarität den aktuellen Herausforderungen stelle. "Wo wären wir in dieser Krise, wenn es das verfasste Europa nicht geben würde?"
Vor einer Abschottung der europäischen Staaten warnte Hans-Gert Pöttering, Präsident des Europäischen Parlaments. "Protektionismus wäre in dieser Krise das Schlimmste. Mit Barrieren würde man dem Binnenmarkt sehr schaden", erklärte der Parlaments-Präsident. Pöttering zeigte sich zuversichtlich, dass der Lissabon-Vertrag trotz der aktuellen Entwicklungen auch in Tschechien ratifiziert werde. "Ich vertraue darauf, dass man in Tschechien und den Nachbarstaaten die richtigen Antworten findet." Das Oberhaus des tschechischen Senats hatte den EU-Reformvertrag gebilligt, doch Präsident Vaclav Klaus verweigerte bislang seine Unterschrift.
WDR-Intendantin Monika Piel hatte zum Auftakt des WDR Europa Forums in Berlin darauf hingewiesen, dass die europäische Politik Antworten auf zahlreiche Fragestellungen geben müsse. So werde man in Kürze nachzuweisen haben, ob sich die strengeren Regelungen zur Ordnung der internationalen Finanzmärkte auch in der Praxis umsetzen ließen. Auch in der Sicherheitspolitik müsse Europa, so Piel, Farbe bekennen. Zunächst gelte es, die Bitte des neuen amerikanischen Präsidenten nach Übernahme zusätzlicher militärischer Verantwortung in Afghanistan zu beantworten, in einem weiteren Schritt aber auch eine europäische Haltung zu formulieren, wonach die Sicherheit Europas auch von Entwicklungen fernab des Kontinents abhängt. Vor allem aber müsse die europäische Staatenfamilie den Bürgern Auskunft darüber geben, was man zu tun gedenke, um individuelle und gesellschaftliche Krisen - von der Arbeitslosigkeit des Einzelnen bis zur Erosion des Sozialstaats - zu meistern. "Was leisten die EU und ihre Mitgliedstaaten, um ihre Bürger vor den bedrohlichen Auswirkungen der derzeitigen Veränderungs- und Anpassungsprozesse so gut es geht zu schützen?", stellte Piel die Leitfrage für das Europa Forum 2009 in Berlin.
Quelle: WDR