Europarat will das Geschäft mit dem Krieg regulieren
Archivmeldung vom 29.01.2009
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Freigeschaltet durch Oliver RandakOb im Irak oder im Kongo – weltweit ersetzen immer mehr Söldner aus privaten Sicherheitsfirmen reguläre Soldaten. Ihre Aufträge sind streng geheim. Wolfgang Wodarg (SPD) will das boomende Geschäft jetzt eindämmen – notfalls gegen alle Widerstände.
Sie tragen dicke Wüstenstiefel, schwere Waffen und fliegen mit militärischen Helikoptern. Doch sie sind keine Soldaten, sondern freie Kämpfer privater Sicherheitsunternehmen. Der Krieg ist ihr Handwerk. Ob im Logistikbereich, bei der Bewachung militärischer Anlagen, im Personenschutz oder sogar mit Kampfeinsätzen - in jedem Krisengebiet dieser Welt mischen die Firmen mittlerweile kräftig mit. Allein im Irak sollen Schätzungen zufolge 30.000 Söldner unterwegs sein. Die privaten Kämpfer, unter denen man auch vermehrt Deutsche findet, sind billiger als reguläre Soldaten – und mitunter erledigen sie auch heimlich in den Foltergefängnissen die «Schmutzarbeit», wie es der SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wodarg im Gespräch mit news.de nennt.
Zwei Jahre lang hat sich der deutsche Politiker mit der zunehmenden Privatisierung des Krieges systematisch beschäftigt. Internationale Regeln, mit denen das Treiben der privaten Firmen kontrolliert wird, gibt es so gut wie nicht. Deshalb will Wodarg jetzt handeln. Morgen wird er in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates einen Bericht zu diesem Thema vorlegen. Darin kritisiert er nicht nur die fehlende Kontrolle der nicht-staatlichen Akteure, sondern er fordert auch eine europäische Charta, in der Mindeststandards für die Überwachung der Firmen und klare Haftungsregelungen festgehalten werden sollen. «Denn das größte Problem ist, dass das staatliche Gewaltmonopol immer stärker ausgehöhlt wird und die privaten Kämpfer kaum zur Verantwortung gezogen werden können», sagt Wodarg.
Bislang agieren die 1,5 Millionen Privatsöldner, die Schätzungen zufolge weltweit im Einsatz sein sollen, in einer rechtlichen Grauzone. Während reguläre Soldaten dem Kriegsrecht entsprechend der Genfer Konventionen unterliegen, ist bis dato völlig unklar, nach welchen internationalen Regeln die privaten Söldner bei Fehlverhalten belangt werden können. Für Misshandlungen irakischer Häftlinge in Abu Graib zum Beispiel seien zwar Armee-Angehörige bestraft worden, nicht jedoch die beteiligten Wachleute einer privaten Sicherheitsfirma, so der Politiker. Nach welchen Regeln auch? Gelten die Kämpfer als Kombatanten? Oder als Zivilisten? «Wer soll Übergriffe ahnden, die Kämpfer aus Bangladesch begehen, die im Irak für eine von Washington angeheuerte britische Firma im Einsatz sind?», gibt Wodarg zu bedenken.
Ob mit seiner Initiative das Problem geregelt werden kann, bleibt indes fraglich. Die Branche ist ein absoluter Wachstumsmarkt. Etabliert hat er sich zum Ende des Kalten Krieges, als die großen Armeen massiv abgerüstet wurden und viele Ex-Militärs bei den Sicherheitsfirmen anheuerten. Angelockt werden sie zumeist durch hohe Prämien. Der Verdienst eines Söldners ist laut Wodarg im Schnitt dreimal höher als der Sold eines Soldaten. Der Krieg gegen den Terror, der nach dem 11. September 2001 angezettelt wurde, machte die Branche zum «Marktschlager», so Wodarg. Heute setzen die Sicherheitsfirmen zusammen zirka 250 Milliarden Euro um. So eine Entwicklung lasse sich natürlich nicht einfach zurückdrehen, sagt der SPD-Politiker. «Mittlerweile stecken dahinter starke Wirtschaftsinteressen und natürlich wird dann jeglicher Eindämmungsversuch massiv torpediert werden», sagt er.
Trotzdem ist er zuversichtlich. Für ihn wäre es bereits ein Erfolg, wenn der Europarat der Charta zustimmen würde. «Das hätte durchaus eine Signalwirkung», sagt Wodarg. Aber natürlich müsse das Problem zusätzlich auch auf der Ebene der Vereinten Nationen geregelt werden. Unterstützung für das Vorhaben bekommt der SPD-Mann immerhin mittlerweile aus den Reihen des Deutschen Bundestages. Dort haben bereits alle Parteien entsprechende Anträge eingebracht. Derzeit liegt dem Auswärtigen Ausschuss eine Beschlussempfehlung der Großen Koalition zur Beratung vor. Wodarg sagt: «Bislang wurde das Thema politisch kaum behandelt, aber das wird sich jetzt ändern.»