Migrationsforscher warnt vor Prognosen zu Flüchtlingszahlen
Archivmeldung vom 17.02.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMigrationsforscher Jochen Oltmer von der Universität Osnabrück hat davor gewarnt, konkrete Flüchtlingszahlen für das laufende Jahr zu nennen und so "Beruhigungspillen" verteilen zu wollen. Oltmer sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung"): "Letztlich bedeuten solche Zahlen nicht viel, wie wir aus dem vergangenen Jahr wissen."
Oltmer betonte: "Wir wissen bis heute nicht einmal, wie viele Menschen 2015 in die Bundesrepublik gekommen sind." Es gebe eine riesige Anzahl nicht bearbeiteter Asylanträge. Zudem seien viele Menschen noch gar nicht registriert. "Das Verkünden einer neuen Zahl bringt uns da nicht weiter. Sie ist maximal ein Anhaltspunkt für die Verwaltung."
Die "Rheinische Post" hatte zuvor berichtet, die Bundesregierung rechne 2016 mit etwa 500.000 Flüchtlingen. Innenminister Thomas de Maizière habe Behördenleiter Frank-Jürgen Weise die Vorgabe gemacht, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf diese Flüchtlingszahl auszurichten. Das Bundesinnenministerium erklärte allerdings, es gebe keine entsprechende Vorgabe des Ministeriums an das BAMF.
Ein Scheitern des EU-Gipfels am Donnerstag erwartet Oltmer nicht. "Es werden Perspektiven präsentiert werden, die als machbar erscheinen, die aber am Ende nicht mehr sein werden als kleine Bausteine für eine Gesamtlösung." Der Wissenschaftler mahnte: "Lösungen kann es angesichts der hochkomplexen Probleme nicht binnen Wochen oder Monaten geben. Sie werden Jahre in Anspruch nehmen."
Oltmer warnte, Grenzschließungen würden nicht nur sehr hohe Kosten verursachen. "Es wird dadurch am Ende auch kein Problem gelöst. Die Probleme werden dadurch nur verlagert. So könnten die Flüchtlinge ihre Routen ändern." Der Forscher bezeichnet es aber als wichtig, den Grenzschutz zu verbessern und den Zuzug von Flüchtlingen besser zu koordinieren. Zugleich müsse die Lage der Flüchtlinge in den Erstaufnahmeländern wie Jordanien, Libanon und Türkei verbessert werden. Und schließlich müssten auch globale Perspektiven entwickelt und Umsiedlungsprogramme ins Auge gefasst werden. "Es geht darum, früher auf Konflikte zu reagieren - durch Hilfe vor Ort, aber notfalls auch durch Resettlement-Programme."
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)