Von außen sieht der Schlecker aus wie jeder andere. Nur das kleine grüne Kreuz
über dem Eingang verrät, dass es hier Medikamente zu kaufen gibt. Das ist in
Tschechien Alltag, in Deutschland aber verboten. Arzneimittel in der Drogerie,
im Lebensmittelmarkt, selbst in Parfümerien wie Douglas. So sollte der neue
„Apothekenmarkt“ in Deutschland aussehen. Doch nun kommt alles anders.
Denn Apotheken dürfen nach Ansicht des Generalanwaltes beim EuGH auch
weiterhin in Deutschland nur von zugelassenen Apothekern geführt werden. Das
gelte sowohl für den Besitz als auch für den Betrieb von Apotheken, erklärte
Generalanwalt Yves Bot am Dienstag in Luxemburg. Die entsprechenden
Rechtsvorschriften in Deutschland und Italien seien gerechtfertigt. Die Ansicht
des Generalanwalt ist für das Gericht nicht bindend, wird aber meistens befolgt.
Die meisten Experten hatten damit gerechnet, dass Bot für einen Wegfall des
Fremd- und Mehrbesitzverbotes plädieren würde.
Die Aktie des Pharmahändlers Celesio büßte nach der Einlassung aus Luxemburg
mehr als 13 Prozent ein und war größter Verlierer im Nebenwerteindex MDax. Fritz
Oesterle, Vorsitzender des Vorstands der Celesio AG, sieht positiv, dass die
Unsicherheiten nun bald beendet sein dürften: "Für uns wird mit dem Urteil des
EuGH endgültig Klarheit über die weitere Entwicklung des deutschen
Apothekenmarktes herrschen".
"Das Thema Apothekenketten in Deutschland ist auf absehbare Zeit tot. Damit
fehlt Celesio ein künftiger Wachstumstreiber. Aber das aktuelle Geschäftsmodell
ist nicht gefährdet", sagte Martin Possienke, Analyst bei Equinet. "Sicher ist
die Aktie etwas weniger wert als mit der Phantasie Apothekenketten. Die Aktie
notiert mit 18 Euro aber unterhalb ihres fairen Wertes von 26 Euro."
Ansonsten sind von dem Urteil viele nicht-börsennotierte Unternehmen
betroffen: Vor allem Drogerien wie Schlecker oder DM hatten gehofft, bald
Medikamente verkaufen zu können. Außerdem schielten die Versandhändler Quelle,
Amazon und Otto auf das einträgliche Geschäft, genau wie auch der
Lebensmittelhändler Tengelmann oder die Parfümeriekette Douglas. Für sie bleibt
ein gewaltiger Markt vermutlich verschlossen: In Deutschland wurden in den
21 000 Apotheken 2007 Arzneimittel für rund 37 Milliarden Euro verkauft
Die Meinung des Generalanwaltes ist eine große Überraschung: Für Experten
ging es vor dem Plädyer des eigentlich nur um die Frage, wie lange die
Übergangsfrist gehen würde. Dem entsprechend heftig ist der Schlag für Schlecker
und Co.
Im Zentrum des Rechtsstreits steht der niederländische Pharmavertrieb Doc
Morris. Das Saarland hatte der inzwischen zum Pharmahändler Celesio gehörenden
Kapitalgesellschaft im Juli 2006 den Betrieb einer Filialapotheke erlaubt. Die
Apothekerkammer des Saarlandes und der Deutsche Apothekerverband hatten gegen
die Zulassung geklagt, da nur Apotheker mit deutscher Approbation, aber keine
Kapitalgesellschaften Apotheken betreiben dürfen. Das Verwaltungsgericht des
Saarlandes ließ beim EuGH klären, ob dieses Fremdbesitzverbot gegen die in der
Europäischen Union garantierte Niederlassungsfreiheit verstößt.
Vor dem EuGH wird derzeit über eine Klage mehrerer Inhaber saarländischer
Apotheken gegen das Saarland verhandelt. Der damalige saarländische
Gesundheitsminister Josef Hecken (CDU) hatte im Sommer 2006 der niederländischen
Versandapotheke und Celesio-Tochter DocMorris das Betreiben einer
„Modell-Apotheke“ in Saarbrücken genehmigt.
Das dort ansässige Verwaltungsgericht hatte im März 2007 die bei ihm
eingereichte Beschwerde an den EuGH verwiesen. Bislang dürfen in Deutschland nur
Pharmazeuten mit Kammerzulassung Apotheken betreiben und maximal drei Filialen
besitzen. Ebenfalls verhandelt wird über ein ähnliches Fremdbesitzverbot in
Italien.
Die Einschränkung sei nach Ansicht von Bot gerechtfertigt, um die Versorgung
der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherstellen zu können. Damit empfiehlt der
Generalanwalt, an dem derzeitigen Apothekengesetz festzuhalten. Dieses besagt,
dass nur Pharmazeuten mit Kammerzulassung Apotheken betreiben dürfen. Sie dürfen
zudem maximal drei Filialen besitzen.
In den Niederlanden ist der Apothekenmarkt seit 199 liberalisiert. Und die
Folgen sind weit weniger dramatisch als man damals angenommen hat. Viele
Hölländer blieben ihrer Hausapotheke treu. Von den rund 1900 Apotheken sind zwei
Drittel selbstständig und nicht filialisiert. Allerdings ist der
durchschnittliche Gewinn, den eine Apotheke abwirft, deutlich
gesunken.