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"Report Mainz"-Umfrage: Kaum Hilfe für wohnungssuchende Flüchtlinge Experten und Politiker erwarten Konkurrenzkampf um bezahlbaren Wohnraum

Archivmeldung vom 25.08.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.08.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Asylbewerberheim Bild:  flickrview -  Marcus Sümnick   - CC BY-SA 2.0
Asylbewerberheim Bild: flickrview - Marcus Sümnick - CC BY-SA 2.0

Angesichts der dramatisch steigenden Zahl neuer Flüchtlinge erwarten Experten und Politiker einen immer heftigeren Konkurrenzkampf um bezahlbaren Wohnraum, vor allem in den deutschen Ballungszentren. Das berichtet das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" (heute, 25.8., 21.45 Uhr im Ersten).

Im Interview sagte der Wirtschaftswissenschaftler Matthias Günther, der sich als Leiter des Hannoveraner Eduard-Pestel-Instituts für Systemforschung intensiv mit den Chancen einkommensschwacher Menschen auf dem Wohnungsmarkt beschäftigt: "Die ganzen Flüchtlinge, die im Moment in den Übergangseinrichtungen sind, kommen eigentlich erst nächstes Jahr so richtig auf den normalen Wohnungsmarkt. Wie es gelingen kann, diese Menschen in den normalen Wohnungsmarkt zu integrieren, ist mir im Moment ein Rätsel. Bei dem gegenwärtigen Bauniveau ist klar mit einer Verschärfung der Konkurrenzsituation zu rechnen."

Günter Burkhardt, Geschäftsführer und Mitbegründer von "Pro Asyl", sagte gegenüber "Report Mainz": "Die Politik hat lange Jahre die Augen davor verschlossen. Vor der Tatsache, dass sozialer bezahlbarer Wohnraum generell für Menschen mit geringem Einkommen in den Ballungsräumen fehlt. Niemand kann eine Konkurrenz wollen zwischen den Schwächsten der Schwachen." Der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer (B'90/ Die Grünen) sagte im Interview: "Das ist genau die Gemengelage, aus der Sprengstoff entsteht, auch sozialer Sprengstoff."

Flüchtlinge haben zwar keinen Rechtsanspruch auf eine eigene private Wohnung, solange ihr Asylgesuch nicht positiv entschieden ist. Dennoch nutzen viele Kommunen ihren Ermessensspielraum und sind bestrebt, Asylbewerber - meist nach drei Monaten - dezentral unterzubringen, aus humanitären Gründen, aber auch um Notunterkünfte zu entlasten. Vor dem Hintergrund der stetig fallenden Zahl an Sozialwohnungen wird dies jedoch immer schwieriger. Deren Zahl ist zuletzt von bundesweit rund 2,5 Millionen im Jahr 2002 auf 1,5 Millionen (2013) gesunken. Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte daher eine Verdoppelung der jährlichen Fördersumme des Bundes von rund 500 Millionen auf eine Milliarde Euro an die zuständigen Bundesländer angekündigt und diese aufgefordert, die Gelder tatsächlich in den sozialen Wohnungsbau zu investieren. Ob und wie viel Geld die Bundesländer allerdings bisher zweckentfremdet haben sollen, konnte das Bundesbauministerium auf Nachfrage von "Report Mainz" nicht erklären.

Eine Umfrage des Magazins unter allen Bundesländern hat ergeben, dass mindestens zwölf von 16 Bundesländern für sich in Anspruch nehmen, die Fördergelder bisher zweckgemäß eingesetzt zu haben. Einige Länder wie Bremen räumen allerdings ein, das Geld auch für die Finanzierung bereits bestehender, älterer Wohnraumförderprogramme genutzt zu haben. Erst 2012 seien damit komplett neue Projekte gefördert worden. Ein klares Bekenntnis, die Gelder auch weiterhin eins zu eins in den sozialen Wohnungsbau zu investieren, gaben nur fünf Bundesländer ab: Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Zu Beginn des vergangenen Jahres war die Zweckbindung gelockert worden. Auf die Anfrage von "Report Mainz" nicht reagiert haben die Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Das Magazin fragte die Bundesländer auch nach Vermittlungshilfen für wohnungssuchende Asylbewerber. Diese gibt es bereits in den Stadtstaaten Bremen und Berlin. Dort werden in zentralen Anlaufstellen Flüchtlinge bei Behördengängen oder bei der Wohnungsbesichtigung umfassend beraten und begleitet. Ergebnis der Umfrage: Alle elf der 16 Bundesländer, die "Report Mainz" geantwortet haben, sehen grundsätzlich die Städte und Gemeinden bei der Wohnungsvermittlung in der Pflicht. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern stellen allerdings den Kommunen nach eigenen Angaben Gelder zur Verfügung, die für diese Zwecke genutzt werden könnten. Das Saarland finanziert die Stellen von hauptamtlichen Asylbegleitern, die Asylbewerbern bei der Orientierung in der neuen Wohnung und bei Behördengängen helfen. Schleswig-Holstein will derzeit "Maßnahmen" erarbeiten, um die Wohnungsvermittlung effizienter zu gestalten.

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer bekräftigte in "Report Mainz" seine Pläne, notfalls Wohnraum für Flüchtlinge zu beschlagnahmen. Er bekomme nun viele Hassmails "mit ganz viel brauner Soße" aus ganz Deutschland. Er räumte allerdings auch eigene Versäumnisse in der Vergangenheit ein, etwa im Kampf gegen den Wohnungsleerstand. Wörtlich sagte er: "Niemand in Deutschland hat es richtig gemacht. Niemand hat vorher gesehen, wie viele Menschen zu uns kommen. Wir reagieren jetzt immer nur hinterher. Wir lösen Probleme, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Das ganze System ist aus den Fugen geraten."

Quelle: SWR - Das Erste (ots)

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