Medizinerverbände: Regierung plant Angriff auf ärztliche Schweigepflicht
Archivmeldung vom 01.10.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAls Anschlag auf die ärztliche Schweigepflicht haben Medizinerverbände den Plan des Gesundheitsministeriums bewertet, sie im Falle so genannter selbst verschuldeter Krankheiten zur Mitteilung an die Krankenkassen zu verpflichten.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich
Hoppe sprach gegenüber dem Berliner "Tagesspiegel"
von einem "Generalangriff auf die ärztliche Schweigepflicht und das
verfassungsrechtlich geschützte Patientengeheimnis". Er sagte: "Wir
lassen uns nicht zu Schnüfflern im Auftrag der Krankenkassen machen."
Der Chef des Klinikärzteverbandes Marburger Bund, Frank Ulrich
Montgomery, nannte das Vorhaben "brandgefährlich". Damit würden "die
Ärzte zu Handlangern der Krankenkassen gemacht", sagte der Präsident
des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, dem "Tagesspiegel".
Offenbar habe man im Ministerium bemerkt oder befürchtet, dass es
Umsetzungsprobleme mit einer bereits Gesetz gewordenen Vorgabe der
Gesundheitsreform gab, heißt es in Expertenkreisen. So wurden die
Kassen zwar verpflichtet, die Patienten bei Krankheiten etwa nach
ästhetischen Operationen, Tätowierungen oder Piercings künftig "in
angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen und das Krankengeld für
die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder
zurückzufordern". Die Mediziner aber hatten keinen Anlass, diese
Fälle den Krankenkassen auch mitzuteilen. "Wir müssen nur Diagnosen
melden", so Montgomery. Einzige Ausnahme: Krankheiten als Folge von
Unfällen, bei denen die Unfallversicherung einspringen soll.
Wenn Ärzte nun per Gesetz verpflichtet würden, "ihre Patienten
auszuhorchen, um sie dann bei den Krankenkassen anzuschwärzen", gehe
das Vertrauen der Patienten verloren, sagte Hoppe. "Wir sind ja
vieles gewohnt von diesem Ministerium, aber das schlägt dem Fass
wirklich den Boden aus." Er kündigte an, dass sich die Ärzte dagegen
"mit allen gebotenen Mitteln zur Wehr setzen" würden. Das Ministerium
solle "seine Pläne schnellstmöglich einstampfen."
Es sei "absolut inakzeptabel, dass die ärztliche Schweigepflicht ausgehöhlt werden soll", sagte Sozialverbands-Präsident Bauer. Das Vertrauensverhältnis werde damit "schwer beeinträchtigt". Der Verband hofft nun, "dass man das noch gekippt bekommt". Im übrigen seien Komplikationen nach Tätowierungen, Schönheitsoperationen und Piercings nur als Beispiele genannt. Womöglich diene der Passus als "Einfallstor", um irgendwann auch Raucher, Paraglider oder Fettleibige für ihre Krankheiten zur Kasse zu bitten.
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel