DDR-Verklärung: Köhler warnt vor Ostalgie
Archivmeldung vom 10.06.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakVersteckte Arbeitslosigkeit, Täuschung der Bevölkerung: Bundespräsident Horst Köhler hat junge Menschen davor gewarnt, die DDR durch die rosarote Brille zu betrachten
So mancher, der heute von angeblichen sozialen Errungenschaften schwärme, wisse ganz offensichtlich nicht oder wolle nicht wahrhaben, „wie heruntergekommen der real existierende Sozialismus damals längst war“, sagte Köhler bei einer Podiumsdiskussion mit Schülern am Dienstag in Schloss Bellevue. Schon 1989 habe die damalige Führung drastische Maßnahmen gegen die sich abzeichnende wirtschaftliche Katastrophe erwogen. „Im Klartext: Viele Menschen hätten ihren Arbeitsplatz verloren“, sagte der Bundespräsident.
Bröckelnde Fassade
Köhler
zitierte ein Gutachten, das SED-Chef Egon Krenz 1989 in Auftrag gegeben
hatte. „Es zeigte, was die DDR-Führung im Grunde schon lange wissen
musste und was sie unter großem Aufwand an Täuschung vor der
Bevölkerung und vor sich selbst geheim gehalten hatte: dass das Land
seit Jahren bankrott war und von der Substanz lebte“, sagte er bei der
Gesprächsreihe „Demokratie und Freiheit“. „Das Regime wäre gezwungen
gewesen, die bröckelnde Fassade der sozialen Wohltaten und der
scheinbaren Vollbeschäftigung vollends niederzureißen.“ Die
wirtschaftliche Katastrophe sei ein wichtiger Grund für den Untergang
des DDR-Regimes gewesen, sagte der Bundespräsident.
Vorbildlicher Widerstand
Köhler
lobte Bürgerrechtler, die dem Regime trotzten: „Diejenigen, die in der
Zeit vor dem 9. November 1989 in der DDR die Missstände beim Namen
nannten und für Menschenrechte und Freiheit protestierten, taten das
keineswegs in dem sicheren Bewusstsein, dass es mit dem DDR-Regime bald
vorbei sein würde. Dennoch wagten sie den Widerstand, allen
Einschüchterungen durch Staatspolizei, Militär und Gefängnis zum Trotz.
Das verdient unser aller Respekt und Dank.“ Bei der Veranstaltung
trafen Schüler auf die früheren DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann,
Joachim Gauck, Markus Meckel, Ulrike Poppe und Uwe Schwabe.