Klaus von Dohnanyi: Die SPD braucht eine Zerreißprobe
Archivmeldung vom 05.08.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) lehnt es ab, den früheren Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement wegen parteischädigenden Verhaltens aus der SPD auszuschließen.
Den Stuttgarter Nachrichten/Kölnische Rundschau (Mittwoch) sagte er: "Es wäre ein großer Fehler, Clement auszuschließen, der mit seinen Positionen in der SPD nicht allein dasteht." Das gelte selbst für den Fall, dass Clement dabei bliebe, in einigen Bundesländern von der Wahl der SPD zu warnen
"Wir müssen tatsächlich abwarten, was in Hessen passiert", so der Hamburger, der seit 50 Jahren SPD-Mitglied ist. Es sei wichtig, die Debatte mit allen Konsequenzen zu führen. "Angenommen die SPD in Hessen beschließt, sich von der Linkspartei nicht nur tolerieren zu lassen, sondern auch eine Koalition mit ihr einzugehen - Soll da nicht ein gefestigtes und überzeugtes SPD-Mitglied sagen dürfen: Unter diesen Umständen kann ich die nicht wählen?" Wenn die Wahl der wichtigste Akt sei, einen Weg für politische Ziele zu finden, dann müsse man auch vor einem Weg warnen können.
Von Dohnanyi vergleicht die heutige Lage der SPD mit der vor dem Godesberger Programm 1959. "Damals waren wir in einer extremen Oppositionspolitik, die nicht mehr vereinbar war mit der Entwicklung der Welt. Nach Godesberg stand die neue ökonomische Grundorientierung fest." Ohne die Freiheit dieser Debatte wäre die SPD nicht weitergekommen; darum brauchte sie auch heute eine freie Debatte. "Darum bin ich auf der Seite von Wolfgang Clement, der auch künftig sagen will: Wenn es in einzelnen Bundesländern Koalitionen mit den Linken gibt, werde ich die Partei diesmal nicht wählen." Das sei für eine Partei schwer zu ertragen. "Aber es ist für die SPD Voraussetzung für eine konstruktive Entwicklung, weil wir unseren Weg in einer vollkommen veränderten globalen Welt erst noch finden müssen."
Dohnanyi ist die Neuausrichtung der Partei wichtiger als ein Erfolg bei der Bundestagswahl 2009. "Es ist schwer, eine sozialdemokratische Mehrheit zustande zu bringen. Aber das darf eben auch nicht das endgültige Ziel sein. Das Ziel muss vielmehr sein, die Partei als Volkspartei auf eine Grundlage zu stellen, die unter den kommenden schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen Bestand hat." Parteichef Beck nahm Dohnanyi in Schutz. Beck habe den Parteivorsitz geerbt, als die SPD in einem sehr schwierigen Zustand war. "Er hat den Versuch unternommen, der Partei eine Zerreißprobe zu ersparen, indem er viele Kompromisse eingegangen ist. Ich persönlich meine, die SPD braucht eine Zerreißprobe - eine mit positivem Ergebnis. Die Partei braucht klare Formulierungen und keine weiteren Versuche, bei allem immer alle einzubinden." Wenn der eine oder andere darauf hin die Partei verlässt, müsse die SPD das ertragen. "Aber herauswerfen würde ich die Leute nicht. Ich würde übrigens auch Ottmar Schreiner nicht herauswerfen, obgleich er in seinen Worten die SPD viel deutlicher verlassen hat als Clement."
Quelle: Stuttgarter Nachrichten