BND-Affäre / Schilly und Steinmeier im Blickpunkt
Archivmeldung vom 10.02.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittOffizielle Stellen der Bundesregierung räumen, nach einem Bericht der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG, auch eigene Fehler und Versäumnisse im Zusammenhang mit der so genannten "BND-Affäre" und dem Umgang deutscher Behörden mit umstrittenen Gefangenen-Vernehmungen im Ausland ein.
Dabei geht es insbesondere um vier Punkte, wie der Zeitung
bestätigt wurde. Heute, Freitag, findet die Anhörung des früheren
Kanzleramtschefs und heutigen Bundesaußenministers Frank-Walter
Steinmeier (SPD) und des ehemaligen Grünen-Außenministers Joschka
Fischer vor dem Parlamentarischen Geheimdienst-Kontrollgremium statt.
Es sei "ein klarer Fehler" des damaligen Bundesinnenministers Otto
Schily gewesen, die Bundesregierung nicht unmittelbar darüber zu
informieren, dass ihm vom seinerzeitigen US-Botschafter Dan Coats am
Pfingstmontag 2004 mitgeteilt wurde, US-Behörden hätten sich bei dem
Deutsch-Libanesen Khaled el Masri für dessen Verschleppung nach
Afghanistan entschuldigt, Stillschweigen vereinbart und ihm einen
Geldbetrag gezahlt.
Es sei weiterhin "nicht korrekt gewesen", zur Vernehmung des
Deutsch-Syrers Mohammed Haidar Zammar in Syrien BKA-Mitarbeiter und
nicht Kräfte des Bundesnachrichtendienstes entsandt zu haben. Auch
dafür, so heißt es intern, sei Schily verantwortlich. "Operative
Fehler" seien dabei aber auch in der Kanzleramts-Schaltstelle nicht
auszuschließen.
Entschieden verteidigt wird dagegen die Kontaktaufnahme deutscher
Behörden an sich. Im Fall Zammar habe man es zuvor mit syrischen
Vernehmungsprotokollen zu tun gehabt, "die absolut unverständlich und
nicht zu gebrauchen" gewesen seien. Zammar hatte enge Verbindungen zu
der Islamistenzelle, die in Hamburg die Terrorangriffe vom 11.
September 2001 vorbereitete. Er war fünf Mal in Afghanistan, wo er in
einem Lager ausgebildet wurde, er hat in Bosnien gekämpft und
versucht, sich den Islamisten in Tschetschenien anzuschließen. Im
Fall der Vernehmung des in Deutschland aufgewachsenen Türken Murat
Kurnaz im US-Gefangenenlager in Guantanamo habe man es im September
2002 mit einer "sehr düsteren" Informationslage seitens deutscher
Sicherheitsstellen zu tun gehabt, wonach es sich möglicherweise in
Bremen um eine gefährliche Querverbindung zur islamistischen
Terrorzelle von Hamburg gehandelt haben könnte. Diesem Verdacht, der
sich später nicht bestätigte, habe man "zwingend nachgehen müssen".
Als "problematisch" gilt die Festlegung von Steinmeier, er habe
"keine Kenntnisse" gehabt von diversen CIA-Flügen über Deutschland,
die vermutlich dem Gefangenen-Transport dienten. Dies sei "wenig
plausibel", heißt es aus zuständigen Regierungskreisen.
Eingeräumt wird weiter, dass BND-Repräsentanten in Bagdad im
unmittelbaren Kriegszusammenhang im März und April 2003 25 sensible
Ziele per Bericht an die BND-Zentrale in Pullach übermittelt hätten
und diese dann auch an US-Dienststellen weitergegeben worden seien.
Dabei habe es sich "in zwei Fällen" um militärisch relevantere
Informationen gehandelt. In beiden Fällen ging es um Bewegungen
gepanzerter irakischer Fahrzeug-Kolonnen. Da diese Informationen aber
erst mit viertägiger Verspätung an die US-Behörden weiter geleitet
worden seien, wären sie "militärisch völlig ohne Belang" gewesen.
Als "absolut obskur" bewerten interne Regierungskreise zudem den
Fall der Freilassung der im Irak entführten Deutschen Archäologin
Susanne Osthoff. Es lägen "Informationen sehr seriöser deutscher und
irakischer Quellen" vor, die den Prozess der Entführung und den
Freikauf durch Lösegeld "in ein sehr verdächtiges Licht" stellten.
Nur noch wenige Experten wollten danach ausschließen, dass es sich
"um eine Art Absprache" gehandelt habe. Den Quellen zufolge wurde ein
Lösegeld von fünf Millionen Dollar bereit gestellt. Nicht zuletzt das
Außenministerium bäte aber "bis heute" darum, den Osthoff-Fall nicht
breit zu treten und strafrechtliche Ermittlungen nur gegen Unbekannt
anzustellen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung