Verfassungspräsident: "Es gibt ungeschriebene Standards, die durch Sitte, Moral und Ethik gesetzt sind."
Archivmeldung vom 27.12.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, hat sich gegen einen Ehrenkodex für ausscheidende Politiker ausgesprochen, mit dem diesen bestimmte Verhaltensweisen im Anschluss an die politische Tätigkeit nahe gelegt werden sollen.
Vor
dem Hintergrund des heftig umstrittenen Engagements von Altkanzler
Gerhard Schröder (SPD) bei der russisch-deutschen Erdgas-Pipeline
meinte Papier in einem Gespräch mit der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG
(Dienstag-Ausgabe): "Es gibt ungeschriebene Standards, die durch
Sitte, Moral und Ethik gesetzt sind."
Zugleich wandte sich Papier gegen Bestrebungen, die Entscheidung über
Diäten und Ruhestandsbezüge aus der Verantwortung der Abgeordneten in
die Hände unabhängiger Dritter zu geben ."Es ist verfassungsrechtlich
nicht unproblematisch, wenn sich die Parlamentarier in diesen Fragen
in die Verantwortung eines externen Gremiums begäben." Es sei
allerdings "klar, dass die Einschaltung eines externen Gremiums für
die Abgeordneten eine Entlastungsfunktion hätte", meinte Papier. "Sie
wären von einer erheblichen politischen Last befreit. Ich will auch
nicht ausschließen, dass sie finanziell damit sogar besser fahren
würden."
Der Verfassungsgerichts-Präsident verwies auf die Verfassungslage:
"Nach unser Verfassung beschließt das Parlament die Gesetze, die die
Entschädigungen sowie die Ruhestandsbezüge der Abgeordneten regeln."
Im Januar treffen sich die Entscheidungsträger der
Bundestagsfraktionen mit Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU),
um über die Zukunft der Parlamentarier-Versorgung zu sprechen.
Unter Hinweis auf die in Rede stehende Berufung von Gerhard Schröder
zum Aufsichtsrats-Chef der Gas-Pipeline meinte Papier: "Zu konkreten
Fällen äußere ich mich nicht. Ganz allgemein gilt: Die öffentliche
Diskussion in Medien und im Rahmen von Parlamentsdebatten hilft bei
der Kontrolle." Die Frage von Anstand und Moral für Politiker sei
"keine Frage des Verfassungsrechts", meinte Papier. "Die Bürger
können die Wahrung von Anstand und Moral gleichwohl erwarten." Nicht
alles lasse sich rechtlich regeln. "Diejenigen, die diesen Staat
repräsentieren, haben sich ganz besonders vorbildlich in diesem Sinne
zu verhalten." Er sei "skeptisch, ob sich das mit einem ,Ehrenkodex'
regeln lässt. Von dem Erlass eines normativen Regelwerks in Fragen
des politischen Anstands rate ich ab. Das Meiste sollte sich von
selbst verstehen." Und für jeden denkbaren Einzelfall lasse sich
ohnehin keine Vorab-Regelung treffen. "Jeder muss sich für seine
Entscheidungen vor sich selbst und vor der Öffentlichkeit
rechtfertigen", so Papier.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung