Bundesregierung gegen Sonderfonds für NS-verfolgte Sinti und Roma
Archivmeldung vom 06.02.2023
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDie Bundesregierung will Handlungsempfehlungen der Unabhängigen Kommission Antiziganismus zur Entschädigungspolitik nicht umsetzen. "Die Bundesregierung beabsichtigt keine Änderung der bisherigen Entschädigungspraxis", heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion, über welche die "Welt" berichtet.
Die Kommission war vom früheren Innenminister Horst Seehofer (CSU) eingesetzt worden, um Rassismus gegen Sinti und Roma besser entgegenwirken zu können. Aufgrund der Schlechterstellung von Sinti und Roma im Bereich der "Wiedergutmachung" im Vergleich zu anderen Opfergruppen des Nationalsozialismus forderte die Kommission einen Sonderfonds für nicht in Deutschland lebende Überlebende des NS-Völkermords an Sinti und Roma, die nach den gesetzlichen Vorschriften der Bundesrepublik bislang keine oder nur geringfügige Entschädigungen erhalten haben.
"Diejenigen, die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, sollen laufende Leistungen erhalten. Den Überlebenden muss ein Leben in Würde ermöglicht werden", heißt es im Abschlussbericht der Kommission.
In einer Vorbemerkung der Bundesregierung zu der Anfrage der Linksfraktion heißt es: "Angesichts der Unmöglichkeit, für sämtliches während der NS-Herrschaft verübtes Unrecht in vollem Umfang eine finanzielle Entschädigung zu gewähren, musste der Gesetzgeber von Anfang an auch bei der Regelung der Entschädigung für Opfer der NS-Verfolgung Differenzierungen hinsichtlich des Personenkreises, der Art und des Umfangs der Leistungen vornehmen." Während nichtdeutsche jüdische Überlebende monatliche Leistungen erhalten können, haben nichtdeutsche Sinti und Roma lediglich Anspruch auf eine Einmalzahlung. Sevim Dagdelen, Sprecherin der Linken im Bundestag für internationale Politik, übte angesichts der Antwort harsche Kritik.
"Dieser Umgang mit den letzten Überlebenden des NS-Terrors ist beschämend. Mit der faktischen Entschädigungsverweigerung knüpft die Bundesregierung an antiziganistische Vorurteile der Vergangenheit an", sagte sie der Zeitung. "Die Bundesregierung muss sich der Verantwortung der eigenen Geschichte stellen und darf die Empfehlungen der Antiziganismuskommission nicht mehr auf die lange Bank schieben. Der Genozid an Sinti und Roma darf nicht länger eine Fußnote in der deutschen Erinnerungspolitik sein." Kritik kommt auch vom Antiziganismusbeauftragten der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler. "Die Unabhängige Kommission Antiziganismus beschreibt überzeugend die Schlechterstellung von Sinti und Roma auf der Gesetzes- und der Umsetzungsebene in Fragen der `Wiedergutmachung`", sagte er der "Welt". Er teile Analyse und Schlussfolgerung der Experten der Unabhängigen Kommission.
Quelle: dts Nachrichtenagentur