Streng vertrauliches Dossier des Auswärtigen Amtes verbietet Abschiebungen nach Afghanistan
Archivmeldung vom 09.03.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAbschiebungen nach Afghanistan werden vom Auswärtigen Amt in einer streng vertraulichen Verschlussakte als lebensgefährlich bezeichnet. Im "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan", der im Juni des vergangenen Jahres verfasst wurde und der ZEIT vorliegt, heißt es:
"Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich nicht verbessert."
Allerorts würden "gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen
rivalisierenden Gruppen" toben. Vor allem Frauen würden in den
Kriegswirren systematisch Opfer von Verbrechen. Es gebe ständig
"Übergriffe gegen Frauen und (vermeintlich) Oppositionelle" durch
Warlords. Frauen könnten nicht mit einer "Verwirklichung elementarer
Menschenrechte" rechnen, da der Geist der Taliban weiter herrsche.
Und wenn sich Frauen nach Sexualverbrechen an staatliche Stellen
wenden, würde dies oft "mit ihrer Inhaftierung enden". Fazit des
Berichtes des Auswärtigen Amtes: Abschiebungen nach Afghanistan "sind
nicht ohne Risiko für Leib und Leben möglich".
Im Widerspruch zu dem Dossier des Auswärtigen Amtes stehen die
"Grundsätze zur Rückführung afghanischer Flüchtlinge", die
vergangenes Jahr von der Innenministerkonferenz präsentiert worden
waren:
Mit Rückführungen, so Deutschlands Innenminister, könne
begonnen werden. Die Lage in Kabul sei "positiv".
Nun plant die Hamburger Innenbehörde, eine alleinstehende Frau
nach Afghanistan auszuweisen. Die vor den Taliban geflohene Juristin
Lida E. müsse aus Deutschland ausreisen, da weder "rechtliche oder
tatsächliche Gründe" der Ausweisung entgegenstünden. Die Frau, die
vor den Taliban geflohen war, ist damit eine von etwa 16.000
Afghanen, die trotz der Warnungen des Auswärtigen Amtes abgeschoben
werden sollen. Norbert Smekal, Sprecher der Hamburger
Ausländerbehörde, sagt der ZEIT: "Dieser Fall ist in der Tat sehr
problematisch, doch die Rechtssystematik des Ausländerrechts lässt
eben keine andere Lösung zu."
Quelle: Pressemitteilung DIE ZEIT