Franz Walter: Pädophilie-Debatte hat Aura der Grünen verblassen lassen
Archivmeldung vom 24.09.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Göttinger Politologe Franz Walter schreibt der Pädophilie-Debatte eine Mitverantwortung für das schwache Abschneiden der Grünen in der Bundestagswahl zu. "Sie hat die Aura der Grünen stark verblassen lassen", sagte Walter dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Zugleich bestritt er, dass die Veröffentlichung von Teilergebnissen seiner Studie über den früheren Umgang der Grünen mit Pädophilie Einfluss auf die Wahl gehabt habe.
"Der Abwärtstrend war längst im Gange", sagte Walter und verwies auf den Ausgang der bayerischen Landtagswahl, die vor der Publikation lag und trotzdem "ziemlich in die Hose gegangen" sei. Im Übrigen gehöre die am Wahlabend von führenden Grünen geäußerte Klage über eine Kampagne "zu den banalsten Ausflüchten von Wahlkämpfern. Das ist so primitiv, dass ich immer davon abraten würde. Wir können damit nicht gemeint sein", so Walter mit Blick auf sein Forschungsteam, das vom Grünen-Vorstand beauftragt worden war, den Einfluss von Gruppen mit pädophilen Forderungen bei den Grünen in deren Frühzeit zu untersuchen.
Den angekündigten Rückzug der Grünen-Führungsspitze bezeichnete Walter als Flucht aus der Verantwortung. "In den nächsten vier Wochen wäre Kümmern angesagt, nicht Abhauen." Wenn die Grünen-Führung wirklich gestalten wollte, bräuchte sie jetzt ein starkes organisatorisches und strategisches Zentrum. "Aber das ist offenkundig in der Pulverisierung begriffen, und damit erledigt sich im Grunde schon jetzt die Option einer Regierungsbeteiligung." Walter erwartet daher eine Neuauflage der großen Koalition von Union und SPD, in der die Sozialdemokraten erfolgreicher sein könnten als in der Zeit von 2005 bis 2009: "Man weiß doch inzwischen, wie Frau Merkel regiert und worauf sie ihre Popularität gründet: als Inkarnation des Anti-Chaos." Ein guter Politiker werde "Mittel und Wege finden, ihr das in einer Koalition nicht einfach durchgehen zu lassen", so Walter, der selbst SPD-Mitglied ist.
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger (ots)