Wegen Pandemie: Chaos bei Auszählung der Briefwahlstimmen in Frankfurt
Archivmeldung vom 16.03.2021
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Freigeschaltet durch Anja SchmittEine Wahlhelferin berichtet von Überforderung und Durcheinander bei der Auszählung der Stimmen in Frankfurt. Neben den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz fanden am Sonntag auch in Hessen Kommunalwahlen statt. Wegen der Pandemie griffen auch dort viele der insgesamt 4,7 Millionen Wahlberechtigten auf die Briefwahl zurück. Dies berichtet das russische online Magazin „SNA News“ .
Weiter ist auf deren deutschen Webseite dazu folgendes zu lesen: "Allein in der Main-Metropole sind im Vorfeld der Kommunalwahl rund 170.000 Briefwahlanträge gestellt worden, berichtet die Frankfurter Neue Presse. Damit hat sich die Zahl der Briefwähler im Vergleich zur Kommunalwahl 2016 verdreifacht.
Vor dem Hintergrund dieser Verlagerung ist es zu vielen Pannen gekommen. „Tatsächlich haben etliche Wählerinnen und Wähler keine Briefwahlunterlagen bekommen“, zitiert die Frankfurter Neue Presse Günter Murr, Sprecher des für Wahlen zuständigen Dezernenten Jan Schneider (CDU). „Wir haben in den vergangenen Tagen mehrfach bei der Deutschen Post nachgefragt, aber sie haben uns versichert, dass es keine Probleme mit der Zustellung gibt.“
Das Ergebnis: Lange Schlangen vor den Bürgerämtern am Samstag und Sonntag, um Ersatz-Wahlscheine zu beantragen.
Große Zahl von Briefwahlen
Mit erheblichen Problemen hatten auch die Wahlhelfer bei der Auszählung der großen Zahl von Briefwahlen zu kämpfen. Anne, Erzieherin bei der Kita Frankfurt, ist eine von ihnen gewesen. Anders als bei ihren früheren Einsätzen als Wahlhelferin habe es dieses Mal keinerlei Einführungsveranstaltung gegeben, erzählt die junge Frau.
„Normalerweise kamen Schriftführer, Wahlvorsteher und andere Helfer in einem Saal zusammen, und ihnen wurde erklärt, was sie zu tun haben. Das fiel dieses Mal aus. Wir haben, wie üblich, eine Arbeitsanleitung bekommen. Aber die allein durchzuwälzen, ist schon sehr kompliziert.“
Die Briefwahl sei in einer großen Halle in der Messe Frankfurt ausgezählt worden. An etwa vierzig Tischen hätten jeweils acht Leute gesessen. Zusätzlich hätte in der Mitte der Halle das Infoteam Station bezogen. Zusammen mit der Wahlleitung seien es schätzungsweise 400 bis 500 Menschen gewesen. Als Corona-Schutzmaßnahme sei neben den verpflichtenden Masken Desinfektionsspray verteilt worden.
Zu wenig Wahlhelfer
Es seien bei dem überdurchschnittlich hohen Anteil an Stimmen, die per Briefwahl abgegeben wurden, definitiv zu wenig Wahlhelfer gewesen, um diese auszuzählen, kritisiert Anne.
„Der Wahlvorsteher war meistens ein Parteimitglied, deswegen hatten die Wahlvorsteher immer mehr Ahnung. Sie wussten immer, wo man was einträgt.“ An ihrem Tisch seien bei der Auszählung der Briefwahlen jedoch fast ausschließlich Kollegen gewesen, städtisch angestellte Erzieher, wie sie selbst. „Sie kennen sich mit dem gesamten Vorgang nicht so gut aus, deswegen gab es schon Probleme bei der Listenführung.“
Schon logistisch sei die Aufgabe mit so wenig Personal kaum zu bewältigen gewesen.
„Erstmal mussten wir alle Wahlbriefe öffnen – das waren ca. 1300 an meinem Tisch“, erzählt Anne. Danach seien die Briefe in Stapel sortiert worden, je nach dem, wofür die Stimmen abgegeben worden seien. Die meisten seien für die Stadtverordneten- und die Ortsbeiratswahl gewesen, dann habe es noch welche für die Kommunalwahl der Ausländervertreter gegeben. Wenn jemand beispielsweise nur für die Stadtverordnetenwahl seine Stimme abgeben wollte, sei das auch wieder ein Extrastapel gewesen – maximal also fünf Stapel. „Das hat sehr lange gedauert, überhaupt alles zu öffnen.“
Mit der Aufgabe überfordert
Auch die ihr zugeteilte Aufgabe habe sie überfordert, gesteht die Erzieherin gegenüber SNA.
„Ich wurde als stellvertretende Briefwahlvorsteherin berufen. Dazu hatte ich mich überhaupt nicht angemeldet, denn ich wusste, das ist nicht das, was ich wirklich kann. Ich wollte stellvertretende Schriftführerin sein. Es ist sehr kompliziert, man hat viele Listen und muss da immer eintragen. Man muss wissen, wo man etwas einträgt – damit waren wir völlig überfordert. Außerdem waren acht Leute für so viele Wahlbriefe einfach zu wenig.“
Ähnlich scheint es auch an anderen Orten in Hessen zugegangen zu sein. Presseberichten zufolge wurde die Auszählung der vielen Briefwahlstimmen gegen 03:15 Uhr nachts unterbrochen, um den Wahlhelfern eine Pause zu gönnen. Am Montagmittag waren die Briefwahlstimmen noch immer nicht ausgezählt.
Auszählung bis tief in die Nacht
Bis drei Uhr nachts sei es bei ihnen nicht gegangen, sagt Anne, dafür habe sie sich eingesetzt. „Ich habe mich irgendwann furchtbar aufgeregt. Wir hatten noch so viele Stapel, wir waren noch bei der Stadtverordnetenwahl, und die Ortsbeiratswahl war noch gar nicht ausgezählt!“
Um halb elf abends seien sie noch am Anfang der Stadtverordnetenwahl gewesen. Da sei sie zum ersten Mal zur Wahlleitung gegangen, denn es sei absehbar gewesen, dass die Wahlhelfer noch bis vier, fünf Uhr morgens mit der Auszählung beschäftigt sein würden. „Da habe ich gesagt: Das geht nicht! Wir mussten ja auch irgendwann heim und nicht jeder wohnt zentral.“ Als die verantwortliche Person um halb zwölf abends gekommen sei, sei sie noch einmal hin, einigermaßen verzweifelt. „Ich habe gesagt, dann machen wir es doch so, dass wir die Stadtverordnetenwahl noch zu Ende zählen, und die Ortsbeiratswahl soll dann jemand anderes zählen.“ Um kurz nach ein Uhr nachts habe man die Wahlhelfer schließlich gehen lassen.
Insgesamt elf Stunden haben Anne und ihre Kollegen am Wahlsonntag gearbeitet – gegen eine Aufwandsentschädigung von 65 Euro. Da das Café in der Messe Frankfurt, wo sich die Wahlhelfer zwischendurch Heißgetränke und Gebäck kaufen konnten, schon um 19 Uhr schloss, und nicht alle daran gedacht hatten, sich etwas mitzunehmen, seien am späten Abend viele hungrig und durstig gewesen, so Wahlhelferin Anne.
Korrekt ausgezählte Stimmen
Trotz der Überforderung und der harten Bedingungen ist Anne jedoch überzeugt, dass die Briefwahlstimmen korrekt ausgezählt wurden. „Ja, da schon. Es wird immer auf Korrektheit geachtet. Es läuft sehr bürokratisch ab, dafür sind auch die Hilfslisten da, die ganz genau geführt werden müssen.“
Nach der Erfahrung vom Sonntag würde sie nicht mehr als Wahlhelferin arbeiten wollen, so die Frankfurterin. Da sie als städtische Mitarbeiterin aber damit rechnen könne, wieder dazu berufen zu werden, wolle sie das nächste Mal darauf bestehen, für ein Wahllokal als stellvertretende Schriftführerin eingeteilt zu werden.
„Im Wahllokal macht mir das Spaß. Die Schriftführerin führt immer die Wählerliste – die Wähler kommen, ich mache Häkchen hinter die Namen, wenn sie gewählt haben. Zum Schluss geht dann das Auszählen mit einem guten Wahlvorsteher meistens reibungslos. Aber als Helferin bei der Auszählung der Briefwahlen möchte ich nicht mehr agieren.“ "
Quelle: SNA News (Deutschland)