Heil will milliardenschwere Grundrente einführen
Archivmeldung vom 04.02.2019
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Freigeschaltet durch André OttBundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will mit einem milliardenschweren Reformprogramm die Rente von drei bis vier Millionen Geringverdienern um bis zu 447 Euro pro Monat erhöhen. "Es gibt bei der Rente eine große Ungerechtigkeit: Sehr viele Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, landen wegen ihrer niedrigen Löhne als Rentner in der Grundsicherung. Das will ich ändern. Deshalb will ich die Grundrente einführen", sagte Heil der "Bild am Sonntag".
Jemand, der Jahrzehnte lang hart gearbeitet hat, habe das Recht, "deutlich mehr zu bekommen als jemand, der nicht gearbeitet hat. Das ist eine Frage des Respekts vor Lebensleistung", so der Arbeitsminister weiter. Wer beispielsweise als Friseurin auf Mindestlohnbasis 40 Jahre lang gearbeitet hat, der kommt laut Heil auf eine Rente von 514 Euro. "Das finde ich respektlos und unwürdig. Ich will, dass ihre Leistung höher bewertet wird. Sie bekommt nach meinem Vorschlag nicht mehr 514 Euro, sondern 96
1 Euro Rente", so Heil. Der Arbeitsminister räumte ein, dass das ein finanzieller Kraftakt werde. Aber den müsse die Gesellschaft aus Respekt vor harter Arbeit schaffen. "Das Kernversprechen des Sozialstaats ist: Nach einem Leben voller Arbeit bekomme ich eine leistungsgerechte Rente. Darauf müssen sich die Menschen wieder verlassen können", so der SPD-Politiker weiter. Nach dem Konzept des Ministers prüft die Rentenversicherung künftig bei jedem Versicherten automatisch, ob er Anspruch auf Grundrente hat. Dafür wird die Summe der gesammelten Rentenpunkte durch die Versicherungsjahre geteilt. Kommt ein Versicherter im Jahresdurchschnitt auf weniger als 0,8 Punkte, wird er automatisch hochgewertet. Dafür hievt die Rentenversicherung 35 Versicherungsjahre auf je 0,8 Entgeltpunkte hoch.
"Wer immer nur Mindestlohn verdient hat, bekommt die höchste Aufwertung von 447 Euro. Aber auch die Renten von Geringverdienern, die etwas über dem Mindestlohn liegen, wollen wir höher bewerten", sagte Heil. Der Minister kündigte an: "Die Grundrente soll spätestens zum 1. Januar 2021 in Kraft treten und drei bis vier Millionen Menschen erreichen. Die Grundrente gilt nicht nur für die Neu-Rentner, sondern auch für die bisherigen Rentner. Wir können bei der Lebensleistung keinen Unterschied machen." Zu 75 Prozent würden Frauen von ihr profitieren. "Sie arbeiten in Berufen, die schlechter bezahlt werden als typische Männerjobs und haben durch Kindererziehung und Pflege von Angehörigen auch viel öfter nur Teilzeit arbeiten können. Die Grundrente ist ein Beitrag zur Gleichberechtigung", so Heil. Zu den Kosten sagte der Minister: "Ich rechne mit einem mittleren einstelligen Milliardenbetrag pro Jahr. So viel werden wir brauchen, damit wir eine Grundrente bekommen, die den Namen verdient. Wir dürfen uns keine Placebo-Politik leisten." Finanziert werden soll die Grundrente aus Steuermitteln.
Nach Prognosen des Arbeitsministeriums werden die Kosten für die Grundrente bis 2050 nicht ansteigen. Grund seien die aktuell höheren Gehälter und die gestiegene Erwerbstätigkeit von Frauen. Nach eigenen Angaben handelt Heil mit Rückendeckung des Bundesfinanzministers: "Olaf Scholz findet es richtig, eine vernünftige Grundrente einzuführen, die den Alltag von Millionen Menschen spürbar verbessert." Optimistisch zeigte Heil sich, dass auch der Koalitionspartner CDU/CSU sein Konzept unterstützt: "Die Union hat Anfang des Jahres das klare Signal gesendet, dass sie eine vernünftige Grundrente will. Darüber freue ich mich." Heil weicht in einem zentralen Punkt vom Koalitionsvertrag ab. Er lehne eine Bedürftigkeitsprüfung als Bedingung für die Grundrente ab: "Eine Bedürftigkeitsprüfung wird es nicht geben. Die Grundrente wird über die Rentenversicherung geklärt. Hat jemand mit niedrigem Einkommen mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt, werden seine Rentenpunkte automatisch hochgestuft. Das ist gerecht. Denn bei der Grundrente geht es nicht um Almosen, sondern um Lebensleistung, die wir anerkennen. Ich fände es respektlos, wenn wir diese Menschen nach einem Arbeitsleben zwingen würden, beim Amt ihre Vermögensverhältnisse darzulegen", sagte Heil der "Bild am Sonntag".
Einzige Bedingung für die Grundrente sind die 35 Beitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dabei werden auch Kindererziehungs- und Pflegezeiten angerechnet, ebenso Beschäftigungsjahre in Teilzeit. "Was allerdings nicht reicht, wenn jemand immer nur einen Minijob hatte. Wer sein Leben lang nur einen Minijob gemacht hat und sonst kein Einkommen und kein Vermögen hat, wird weiterhin auf die Leistungen der Grundsicherung angewiesen sein", so der SPD-Politiker. Das Konzept von Heil umfasst auch eine Reform des Wohngelds. "Um wirklich was gegen Altersarmut zu tun, müssen wir als flankierende Maßnahme an das Wohngeld ran. Wir brauchen beim Wohngeld einen Freibetrag, der nicht für die Grundrente angerechnet wird", sagte Heil. Den gebe es derzeit schon für Schwerbehinderte in einer Höhe von 125 Euro. "Daran würde ich es gern anlehnen. Damit haben auch diese Grundrentner am Ende mehr Geld in der Tasche", sagte Heil der "Bild am Sonntag".
Außerdem soll die Einkommensgrenze, ab der man Wohngeld bekommt, künftig jedes Jahr an die Kostenentwicklung anpassen werden. "Damit Leute nach Rentenerhöhungen nicht aus dem Wohngeld fallen und dann sogar weniger Geld haben", so der Arbeitsminister. Die Pläne von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die doppelten Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten über Steuermittel abzubauen, lehnt Heil ab: "Wenn ich die Grundrente so einführe, profitiert auch mein Kollege Spahn durch deutliche Mehreinnahmen in der Krankenversicherung. Diese geben ihm die Möglichkeit, die Doppelverbeitragung abzubauen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur