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Fahimi zweifelt an Tempo für grüne Transformation

Archivmeldung vom 01.06.2024

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.06.2024 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Mary Smith
Yasmin Fahimi Bild: spd.de
Yasmin Fahimi Bild: spd.de

Die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, fürchtet, dass die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität die Bevölkerung überfordert. "Viele Beschäftigte erleben jeden Tag, was im Betrieb passiert und dass sie entweder höhere private Kosten haben oder dass die Investitionskosten an ihrem Standort durch die Unternehmen nicht gestemmt werden können", sagte Fahimi der "Welt am Sonntag". Es sei ein "offenes Geheimnis", dass damit Arbeitsplätze in Gefahr seien.

"Deshalb müssen wir in der Tat darüber sprechen, ob das Transformationstempo in jedem Fall realistisch und durchzuhalten ist. Oder ob manche Zielsetzungen nicht besser über einen etwas längeren Zeitraum gestreckt werden könnten." Am Gesamtziel, bis 2045 klimaneutral zu sein, solle man aber festhalten. "Mir geht es um die konkreten Ausbauziele und die Frage, wie wir Übergangsphasen schaffen. Und vor allem, welche Prioritäten jetzt erforderlich sind", sagte Fahimi. Schon jetzt sei nahezu ausgeschlossen, dass ab 2030 oder auch 2035 Gaskraftwerke zu 100 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden können. "Diese Kraftwerke, die jetzt erst noch mit viel Geld gebaut werden müssen, um die Stromnetze stabil zu halten, werden also auch dann noch CO2 ausstoßen", sagte die DGB-Chefin. "Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion, ob wir nicht noch früher, möglichst schon bis 2030, aus der Kohleverstromung raus können, ziemlich müßig." Experten der Denkfabrik Agora Energiewende rechnen damit, dass durch den kürzlich verschärften EU-Emissionshandel der Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken ab etwa 2030 nicht mehr profitabel sein wird. Fahimi sprach sich für zusätzliche Entlastungen bei den Energiepreisen aus. "Wir brauchen gegenüber dem privaten Endverbraucher klare Signale, dass ökologische Transformation nicht permanent heißt, es verteuert sich alles, ohne dass irgendetwas für mich besser wird", sagte sie. "In der Politik, über alle Parteien hinweg, hat man lange Zeit unterschätzt, dass die soziale Akzeptanz der Transformation nicht nur ein nettes Beiwerk ist, sondern die Voraussetzung dafür, dass die Transformation gelingt." 

Der DGB fordere, "dass die Netzentgelte aus Steuermitteln finanziert werden und dass die Stromsteuern auf das europäische Minimum sinken". Auch auf europäischer Ebene müsse der Green Deal angepasst werden. "Man kann nicht nur grüne Endprodukte fördern", sagte Fahimi. "Wir müssen wesentliche Produktionskapazitäten wenigstens in einem Mindestumfang in Europa aufrechterhalten - sei es bei Stahl, Glas, Keramik, Zement oder Chemie." Um die Entlastungen bei den Energiepreisen finanzieren zu können, sprach sich Fahimi erneut für eine Reform der Schuldenbremse aus. Sie widerspreche Finanzminister Christian Lindner (FDP), "wenn er erklärt, es gäbe kein Einnahmen-, sondern nur ein Ausgabenproblem", sagte sie. Das sei "der politische Ausgangspunkt, um mit dem Rasenmäher über alle sozialen Errungenschaften hinwegzugehen - ausgerechnet in einer Zeit, in der die Menschen eigentlich mehr Verlässlichkeit und mehr Unterstützung brauchen". Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stehe klar auf der Seite der Gewerkschaften. "Ich bin jedenfalls nicht bereit, durch falsche Weichenstellungen die Zukunft künftiger Generationen zu verspielen", sagte Fahimi. "Ich erwarte von der Bundesregierung stattdessen eine auf die Zukunft ausgerichtete Wirtschaftspolitik und keinen Sozialkahlschlag. Der Finanzminister erwartet, dass jetzt im Sozialen die Axt angelegt wird." Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung 2021 auf eine schnellere Reduktion des CO2-Ausstoßes verpflichtet. In seiner Begründung verwies es darauf, dass Wegmarken wie der Zeitpunkt der Klimaneutralität mit einem CO2-Budget untermauert werden müssen, das den insgesamt für Deutschland nach dem Pariser Abkommen zulässigen CO2-Ausstoß beziffert. Ein umfangreicher Verbrauch des CO2-Budgets schon bis 2030 verschärfe das Risiko schwerwiegender Freiheitseinbußen, "weil damit die Zeitspanne für technische und soziale Entwicklungen knapper wird, mit deren Hilfe die Umstellung von der heute noch umfassend mit CO2-Emissionen verbundenen Lebensweise auf klimaneutrale Verhaltensweisen freiheitsschonend vollzogen werden könnte". In diesem Fall sei "praktisch jegliche grundrechtlich geschützte Freiheit gefährdet".

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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