Rufe nach Abschaffung des Beleidigungsparagrafen
Spitzenvertreter von FDP und Linkspartei warnen anlässlich der Anzeigenflut von Politikern gegen Bürger vor einer "Zweiklassenjustiz" in Deutschland und fordern die Rücknahme einer Gesetzesverschärfung aus dem Jahr 2021, die das Beleidigen von Politikern härter bestraft.
"Die Verschärfung in dieser Form war ein Fehler und erschüttert das
Vertrauen der Bevölkerung in das Recht auf freie Meinungsäußerung",
sagte der Vizechef der FDP, Wolfgang Kubicki, dem "Stern". Liberale
hätten sich stets gegen die gesonderte Strafverfolgung von sogenannten
Majestätsbeleidigungsdelikten ausgesprochen.
Ähnlich äußert sich
Janis Ehling, Bundesgeschäftsführer der Linken: "Die Verschärfung von
Gesetzen ist oft nur ein hilfloses Agieren, das wenig Nachhaltigkeit
beweist." Er warnte: "Politiker wie Robert Habeck oder Friedrich Merz
genießen offenbar eine nicht gerechtfertigte Sonderbehandlung." Bei
Beleidigungen anderer Bürger würden höchstens Verwarnungen
ausgesprochen. "Damit schaffen wir eine Zweiklassenjustiz", so Ehling.
Der
ehemalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und
Unionskanzlerkandidat Armin Laschet fordert Spitzenpolitiker zu mehr
Zurückhaltung auf: "Wir als Politiker sollten die Einleitung von
Strafverfahren gegen schimpfende Bürger behutsam und mit Maß und Mitte
erwägen", sagte Laschet des "Stern". "An jedem Stammtisch werden
Regierende in allen Zeiten als Deppen, Idioten oder Schwachköpfe
bezeichnet." Laschet hält die Regelung selbst aber nicht für ein
Problem.
Kubicki sagte: "Die Lösung kann nicht darin bestehen,
dass wir jetzt Politiker auf eine andere Hierarchieebene stellen, die
sich mit Mitteln des Strafrechts verbitten, als 'Schwachkopf' oder
'Depp' bezeichnet zu werden." Den Schutz von Lokalpolitikern hält er für
richtig, allerdings nur bei Verleumdung und übler Nachrede - so wie es
vor 2021 geregelt war.
Im Jahr 2021 hatte die Große Koalition den
Paragrafen 188 im Strafgesetzbuch eingeführt. Zuvor waren nur tätliche
Angriffe oder Verleumdungen von Politikern gesondert strafbar. Ab 2021
aber wurden erstmals auch Beleidigungen - wie etwa Schwachkopf - gegen
"im politischen Leben des Volkes stehende Personen" härter verfolgt. Die
Höchststrafe lag ab diesem Zeitpunkt bei bis zu drei Jahren Haft. Laut
der Begründung des Gesetzes sollte so eine "Vergiftung des politischen
Klimas" verhindert werden. Seither hat sich die Zahl der Anzeigen von
Politikern gegen Bürger massiv erhöht.
Quelle: dts Nachrichtenagentur