Zeitung: Neuer Wohlstandsindex versandet in der Regierung
Archivmeldung vom 28.04.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtEin Jahr nach dem Bericht der Enquete-Kommission hat die Große Koalition die Beschlüsse des Bundestages, die etwa einen neuen Maßstab zur Messung des nationalen Wohlstands vorsehen, noch immer nicht umgesetzt. Vor gut einem Jahr legte die Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" ihren Abschlussbericht vor. Anfang Juni beschloss der Bundestag, einen neuen Maßstab für den nationalen Wohlstand erstellen zu lassen. Doch die Bundesregierung verschleppt es bis heute, diesen Auftrag auch umzusetzen, wie aus Recherchen der "Welt am Sonntag" hervorgeht.
Die Website auf der der neue Indikatoren-Satz dem Wunsch der Parlamentarier zufolge einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte, befindet sich noch immer "im Aufbau". Der Grund: Das Statistische Bundesamt hat bis heute keinen Auftrag vom Bundesinnenministerium, aktuelle Daten einzupflegen.
Nach Informationen der Zeitung liegt die Werbebroschüre, mit der die Bevölkerung über den neuen Wohlstands-Index informiert werden sollte, ebenfalls auf Eis. Noch immer fehlt der Startschuss der Bundesregierung.
Die gewünschte breite öffentliche Diskussion über Glück und Wohlstand als Alternative zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) kommt so nicht in Gang. Das ist nach Ansicht von Wirtschaftsprofessor Karl-Heinz Paqué auch ganz im Interesse der Großen Koalition. "Union und SPD waren die der Enquete-Kommission sowieso nicht die treibenden Kräfte", sagte Paqué, der von der FDP als Experte in die Enquete-Kommission berufen worden war, der "Welt am Sonntag". "Beide Parteien wären wohl froh, wenn die Ergebnisse irgendwo in Ruhe in Aktenschränken verstaubten."
Die Ministerien schieben derweil die Zuständigkeiten hin und her, anstatt den Auftrag des Parlaments umzusetzen. Das Statistische Bundesamt müsste den Auftrag der Erstellung und Pflege des neuen Wohlstands-Datensatzes aus dem Bundesinnenministerium bekommen, der dem Amt übergeordneten Behörde. Die verweist man in dieser Sache an das Bundeskanzleramt. Dort wird der "ressortübergreifende Aktionsplan `gut leben`" koordiniert, den die neue Regierung in ihrem Koalitionsvertrag an prominenter Stelle angekündigt hat.
Details dazu, einen Starttermin gar, will allerdings niemand nennen. "Die ressortübergreifenden Gespräche laufen, erste Schritte zum Bürgerdialog wurden bereits abgestimmt", sagte ein Regierungssprecher der "Welt am Sonntag".
"Es ist sehr enttäuschend, dass der Bundestagsbeschluss noch immer nicht umgesetzt wird", sagt die Volkswirtschafts-Professorin Beate Jochimsen, die einst von der CDU/CSU als Expertin in die Enquete-Kommission berufen worden war. "`Wir wissen noch nicht wer zuständig ist` - das kann ein Dreivierteljahr nachdem die neue Regierung im Amt ist doch keine Entschuldigung mehr sein!"
Über drei Jahre hatten in der Enquete-Kommission 17 Experten mit 17 Abgeordneten in fünf verschiedenen Arbeitsgruppen zusammen gesessen. Allein die Reisen und Aufwandsentschädigungen für die Sachverständigen kosteten den Steuerzahler nach Angaben der Bundestagsverwaltung 370.000 Euro. Dazu kamen rund 485.000 Euro für die fest eingestellten Mitarbeiter der Kommission und 130.000 Euro für externe Gutachten.
Der stellvertretende Leiter der Enquete, Matthias Zimmer (CDU), räumte im Gespräch mit der "Welt am Sonntag" ein, dass das neue Wohlstandsmaß in der Union "noch nicht so viel Resonanz" gefunden habe. Seine Hoffnung sei, "dass die Arbeit der Enquete im neuen Aktionsplan des Kanzleramts zur Lebensqualität Niederschlag findet". Womöglich sollen die Enquete-Ergebnisse auch noch einmal im Bundestag debattiert werden. "Vor Anfang nächsten Jahres wird das aber nicht sein."
Quelle: dts Nachrichtenagentur