KMU fordern Kurswechsel in der Patentpolitik
Archivmeldung vom 16.01.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlAnlässlich der morgigen Rede der Bundeskanzlerin vor dem Europaparlament fordert die Unternehmerinitiative patentfrei.de die Bundesregierung zu einem Kurswechsel in der Patentpolitik auf. In ihrem offenen Brief an die Kanzlerin kritisiert die Initiative die Pläne des Bundesjustizministeriums zur Unterstützung eines neuen europäischen Streitregelungssystems (EPLA).
Nach Auffassung der Unternehmerinitiative, die über 650 kleine und
mittelständische Unternehmen (KMU) zu ihren Unterstützern zählt, sind
die EPLA-Pläne einseitig auf die Interessen der Großindustrie
ausgerichtet. Der EPLA-Entwurf missachte zudem durch die personelle
Verzahnung von Europäischer Patentorganisation (EPO) und
EPLA-Institutionen grundlegende demokratische Prinzipien wie der
Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Richter. Durch die fehlende
Einbettung in den Rechtsrahmen der EU gebe die Gemeinschaft
entscheidende Kompetenzen unwiderruflich aus der Hand.
Nicht nur durch die Erhöhung der Kosten für Rechtsstreitigkeiten seien KMU benachteiligt. Insbesondere in der abzusehenden Legitimierung von Softwarepatenten sieht die Initiative existenzbedrohende Auswirkungen des EPLA für KMU. Die Initiative warnt davor, diese Frage als Randthema zu betrachten, derentwillen eine Reform der Rechtsprechung nicht verzögert werden dürfe. Vielmehr entscheide sich gerade an der Frage der Softwarepatente, ob die Ziele der Lissabon-Agenda erreicht werden können oder nicht.
Die Initiative kritisiert die unhaltbare Argumentation des
Bundesjustizministeriums (BMJ), mit der sie ihre Unterstützung des
EPLA begründet. So scheine sich für das BMJ die Innovationskraft
einer Firma allein aus der Zahl ihrer Patentanmeldungen zu ergeben.
Derartige Ansichten seien "ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die den
Innovations- und Jobmotor der europäischen Wirtschaft bilden", so die
Initiative mit Hinweis auf die KMU der Softwarebranche. Nur sehr
wenige dieser Unternehmen halten selbst Patente.
Auch die immense Rechtsunsicherheit für Softwareentwickler und ihre Kunden, die im Falle der rechtlichen Durchsetzbarkeit von Softwarepatenten für selbst entwickelte Software erfolgreich auf Unterlassung, Schadensersatz oder Lizenzzahlung verklagt werden könnten, würde vom BMJ verschwiegen.
Das BMJ betreibe in Zusammenarbeit mit Konzernen ein
"Verwirrspiel". So lasse sich die Bundesjustizministerin sogar für
eine Kampagne des amerikanischen Softwareriesen Microsoft einspannen.
Die Initiative betrachtet mit Sorge, dass sich das BMJ offenbar zu
einer "Lobbying-Agentur für die Interessen der Großindustrie"
entwickle und zum Schaden der europäischen KMU den tausenden
Softwarepatenten Microsofts und anderer überwiegend außereuropäischer
"Big Player" den Weg bereite.
Die Initiative erinnert die Bundeskanzlerin an ihre persönliche Unterzeichnung des interfraktionellen Antrages zur Softwarepatentproblematik vom Februar 2005. Der hierin ausgedrückte Wille des Bundestages sei "unvereinbar" mit den EPLA-Plänen. Das mit dem EPLA verbundene Höchstgericht würde genau die vom Bundestag kritisierte Vergabepraxis und Rechtssprechung untermauern.
Ein "Kurswechsel der Bundesregierung in Bezug auf die Reform des Patentsystems" sei daher "unbedingt und sofort erforderlich". Die Forderungen umfassen in Anlehnung an die "Gemeinsamen Erklärung gegen Softwarepatentierung" der Unternehmerinitiative hierbei:
-
Verzicht auf das EPLA, ein Höchstgericht muss in den
EU-Rechtsrahmen eingebettet sein
- Keine Beschäftigten der EPO in europäischen Rechtsprechungsorganen
- Änderung der Prüfungsrichtlinien und Kontrolle des EPA
- Schaffung einer europaweiten Regelung, die Softwarepatente unmissverständlich untersagt
Quelle: Pressemitteilung patentfrei.de / Unternehmer gegen Softwarepatentierung