Politologe: Asylstreit weckt "ungute Erinnerungen an Weimar"
Archivmeldung vom 04.07.2018
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Freigeschaltet durch André OttDer Politikwissenschaftler Herfried Münkler bezeichnet die durch den Asylstreit ausgelöste politische Krise als einmalig in der deutschen Nachkriegsgeschichte. "Dieses leichtfertige Spielen mit der politischen Stabilität ruft ungute Erinnerungen an Weimar hervor", sagte der Professor der Berliner Humboldt-Universität dem "Stern". Damals sei die "letzte große Koalition unter dem SPD-Kanzler Müller an einer ähnlichen Marginalie" zerbrochen, so Münkler.
Im Unterschied zur Endphase der ersten parlamentarischen Demokratie hätten wir heute vor Augen, "wozu diese furchtbar gefährliche Kombination aus Kompromissverweigerung, Prinzipienreiterei und Zockertum" führen könne. "Die Konservativen haben noch nie gut dagestanden, wenn sie sich von den Rechten haben treiben lassen", so Münkler. In der Auseinandersetzung mit der AfD attestiert der Machiavelli-Experte vor allem den Christsozialen eine "gravierende strategische Schwäche".
Die CSU habe geglaubt, sie könne Merkel jagen, dabei sei sie selbst Gejagte der AfD. "Egal, was die CSU erreicht, die AfD sagt immer: Es ist nicht genug", so der Politologe. Zudem wiedersprächen aktuelle Umfragen der These, dass sich mit dieser Strategie Wähler der rechtspopulistischen Partei zurückgewinnen ließen. Trotz der Asylvereinbarung der Unionsparteien CDU und CSU sieht der Politikwissenschaftler weiterhin die Gefahr einer Spaltung der Union. "Diese Fähigkeit, in weiten Kompromisslinien zu denken, ist zuletzt einer gewissen Lust am Untergang gewichen", so Münkler. Die Rolle der Union als "letzte echte Volkspartei" stehe auf dem Spiel. Ein Blick ins europäische Ausland zeige, dass das Konzept Volkspartei "offenbar ein historisches Auslaufmodell" sei. Für Münkler ein Grund zur Sorge: "Wir werden uns noch mit tiefer Traurigkeit an die Zeiten der Volksparteien zurückerinnern".
Quelle: dts Nachrichtenagentur