Lafontaine "verwundert" darüber, wie willenlos die SPD ihren Niedergang vor der Wahl verfolge
Archivmeldung vom 11.07.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittLinks-Parteichef Oskar Lafontaine zeigt sich "verwundert" über die Willenlosigkeit, mit der die SPD derzeit ihren eigenen Niedergang kurz vor dem Bundestagswahl begleitet.
In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" (Sonnabend-Ausgabe) sagte der Politiker und frühere SPD-Chef: "Das ist das Ergebnis einer Serie von Fehlentscheidungen, die über die Köpfe der Mitglieder hinweg getroffen wurden: Agenda 2010, Hartz IV, Kriegseintritt in Jugoslawien und in Afghanistan. Diese beispiellose Serie anti-sozialdemokratischer Entscheidungen über die Köpfe der Basis hinweg hat viele Mitglieder in die Resignation getrieben."
Lafontaine forderte die SPD auf, "wieder sozialdemokratisch" zu werden. "Sie muss zurückfinden zur sozialen Gerechtigkeit und zum Frieden. Jetzt steht die SPD für den Krieg in Afghanistan und die Rente mit 67. So lange die SPD sich nicht erneuert und im Schlepptau des Neoliberalismus bleibt, hat sie keine Chance."
Er selbst hatte, damals noch Sozialdemokrat, nach der Wende der SPD geraten, im Westen eine auf realwirtschaftlichen Positionen aufbauende Teil-Partei mit einer eher linken Mischung aus PDS und neu gegründeter Ost-SPD als Schwesterpartei nach dem Vorbild der Union aus CDU und CSU zu bilden. Auf die Frage, ob dies heute noch immer eine denkbare Vision sei, meinte Lafontaine: "Parteien definieren sich immer über Programme. Die Sozialdemokratie der 80er Jahre bekannte sich noch zur Friedenspolitik Brandts, zur ökologischen Erneuerung der Industriegesellschaft und zum Ausbau des Sozialstaates. Die heutige SPD ist weit davon entfernt. Nur eine wirkliche programmatische Kurskorrektur der SPD könnte die politische Landschaft in Deutschland wieder in Bewegung bringen."
Angetan zeigte sich Lafontaine von der neuen Sozial-Enzyklika des Papstes, der darin eine Gesinnungsreform als Ausgangspunkt für neues soziales Handeln gefordert hat. Um sie an Wahlständen der Linkspartei zu verteilen, sei sie "leider zu lang", meinte Lafontaine. "Aber uns verbindet ganz sicher ein Kerngedanke: Wir müssen zur sozialen Verantwortung in der Wirtschaft zurückfinden. Wenn der Papst eine ,Ökonomie der Liebe' fordert, dann nennen wir das eine ,Wirtschaft der freien Menschen', Mitbestimmung und Belegschaftsbeteiligung."
Quelle: Leipziger Volkszeitung