Neuwaren und Retouren: Regierung will Warenvernichtung erschweren
Archivmeldung vom 20.12.2019
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Freigeschaltet durch André OttDie Bundesregierung will im kommenden Jahr eine sogenannte Obhutspflicht für den Umgang mit Retouren und nicht verkaufter Neuware einführen. Dadurch soll die Vernichtung von Produkten durch Händler verringert werden. Darauf einigten sich Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesumweltministeriums, wie Reporter des NDR aus Regierungskreisen erfahren haben.
Das Bundeskabinett soll demnach diese Obhutspflicht Anfang des Jahres beschließen. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums bestätigte zunächst nur, dass man sich für eine entsprechende Änderung im Kreislaufwirtschaftsgesetz einsetze.
Die für das Jahr 2020 vereinbarte Obhutspflicht soll die Händler dazu anhalten, die Produktion stärker an der Nachfrage auszurichten. Transport und Aufbewahrung neuer Waren soll demnach so gestaltet werden, dass die Produkte länger nutzbar bleiben. Vernichtung solle zur Ultima Ratio werden. Zudem sollen Händler zu mehr Transparenz gezwungen werden, was die Vernichtung von unbenutzter Ware angeht. Erst wenn ein Verkauf oder eine Spende technisch oder rechtlich nicht mehr möglich sei, etwa wegen einer Gefahr für die Gesundheit, solle eine Vernichtung erlaubt sein. Auch wenn es für einen Händler "wirtschaftlich nicht mehr zumutbar" sei, darf er ein Produkt als Abfall verwerten.
Insbesondere bei großen Versandhändlern werden offenbar zurzeit in großem Umfang auch Neuwaren vernichtet. Das belegen interne Fotos und Dokumente aus einem Amazon-Lager, die über die Umweltorganisation Greenpeace an Reporter des NDR weitergegeben wurden. Sie betreffen das Amazon-Logistikzentrum im niedersächsischen Winsen an der Luhe. Die Unterlagen belegen, dass dort in der Vorweihnachtszeit offenbar ein bis zwei Mal pro Woche ein Container mit unbenutzter und nicht versendeter Neuware abgeholt und zur Müllverbrennungsanlage nach Hamburg gebracht wird. Es handelt sich dabei nicht um Retouren, sondern um Waren, die Amazon im Auftrag von Dritthändlern verkauft.
Die Fotos zeigen unter anderem Halogen-Heizstrahler, Trinkflaschen und Bücher, die in Abfall-Containern für den Abtransport gesammelt werden. Die Waren sind offensichtlich nicht beschädigt und noch originalverpackt. Für die Händler ist die Vernichtung der Neuware offenbar einfacher und wirtschaftlicher, als darauf zu hoffen, sie zukünftig zu verkaufen. Wird ein Produkt zum Ladenhüter, dann bietet Amazon nach NDR Recherchen unter anderem an, die Ware gegen Gebühr zu vernichten. Das spart dem Händler die Kosten für eine Lagerung.
"Es darf nicht sein, dass der Platz im Regal für den Onlinehändler anscheinend wertvoller ist als das Produkt, das drin liegt", sagt Viola Wohlgemuth von Greenpeace. Greenpeace fordert ein Ressourcenschutzgesetz und ein Verbot Neuwaren und Retouren zu vernichten.
Amazon lehnte ein Interview zu dem Thema ab. Die Vernichtung von Neuwaren am Standort Winsen an der Luhe bestritt der Konzern nicht, das sei allerdings ein Problem, das die gesamte Branche der Versandhändler beträfe. Eine Zusammenarbeit mit dem Entsorgungsbetrieb bestätigte ein Sprecher auf Anfrage. Man arbeite daran, die Anzahl der entsorgten Produkte zu reduzieren. Björn Asdecker von der Universität Bamberg forscht zum Retouren-Management in der Logistik. Solche Bilder seien die "hässliche Fratze der Plattformökonomie", meint er. Es seien Rahmenbedingungen geschaffen worden, die die Entsorgung und Vernichtung von Waren zumindest begünstigen.
Genaue Zahlen über die Menge der vernichteten Neuwaren gibt es nicht. Die Uni Bamberg fand zuletzt heraus, dass Bundesbürger bei Internetbestellungen jedes sechste Paket zurückschicken, bei Kleidung und Schuhe sogar fast die Hälfte. Rund vier Prozent der zurückgeschickten Artikel landen laut den Forschern dann im Müll.
Asdecker fordert von der Politik, Plattformbetreiber wie Amazon stärker in die Verantwortung zu nehmen. Von einem Verbot, Ware zu vernichten, wie es Umweltverbände fordern, hält er nicht viel. Dies könne dazu führen, dass die Ware dann im Ausland unter womöglich schlechteren Bedingungen entsorgt werde.
Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)