SPD will "Mietpreisstopp" anstatt "Mietpreisbremse"
Archivmeldung vom 08.09.2018
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Freigeschaltet durch André OttDie SPD will mit neuen, erheblichen Eingriffen in den Immobilienmarkt gegen drastisch steigende Mieten vorgehen. Parteichefin Andrea Nahles und der Vize-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel wollen mit einem zwölf Punkte umfassenden Plan, der weit über die bisher in der Koalition gefassten Beschlüsse hinausgeht, eine "Mieten-Wende" herbeiführen. "Der Druck auf dem Mietmarkt ist heute so dramatisch, dass wir zusätzliche Maßnahmen ergreifen müssen", heißt es in dem vierseitigen Forderungspapier, über das die "Süddeutsche Zeitung" berichtet.
Zu den Kernforderungen gehört auch ein sogenannter "Mietpreisstopp". Überall dort, wo der Wohnungsmarkt angespannt ist, sollen Mieten nach dem Willen der SPD-Spitze für einen Zeitraum von fünf Jahren nur noch in Höhe der Inflationsrate erhöht werden dürfen. Diese liegt in Deutschland derzeit bei knapp zwei Prozent. Bislang gilt, dass die Miete innerhalb von drei Jahren in den betroffenen Gebieten um maximal 15 Prozent erhöht werden darf, selbst dann, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete damit noch nicht erreicht ist. Der "Mietpreisstopp" soll sowohl für bestehende Mieten als auch beim Abschluss neuer Mietverträge gelten. Sollte ein Vermieter modernisieren, kann er die Kosten weiterhin auf die Mieter umlegen. Die SPD begründet den Vorstoß damit, die "Preisspirale unterbrechen" zu wollen. Im Willy-Brandt-Haus heißt es, es gehe darum, Zeit zu gewinnen, bis bereits ergriffene Maßnahmen wie die Förderung des sozialen Wohnungsbaus die erhoffte Wirkung entfalteten. "Explodierende Mietpreise" seien in Ballungsräumen längst auch für Bezieher mittlerer Einkommen "zu einer existenziellen Herausforderung" geworden.
"Wir müssen jetzt handeln, und zwar schnell", schreiben Nahles und ihr Vize Schäfer-Gümbel. Mieter sollen künftig auch besser vor Kündigung durch angeblichen Eigenbedarf geschützt werden. Zu häufig werde Eigenbedarf "vorgetäuscht, damit die Wohnungen im Anschluss teurer vermietet oder verkauft we
rden können", heißt es im Papier. Die SPD will die gesetzliche Regelung verschärfen. Es gehe darum, gesetzlich klarzustellen, was ein "hinreichender Bedarfsgrund" sei. Die Genossen wollen den Kreis derjenigen enger fassen, für den Eigenbedarf geltend gemacht werden kann. Mieterorganisationen beklagen, dass mittlerweile Wohnungen auch für die Unterbringung von Au-pairs oder für gelegentliche Verwandtschaftsbesuche aus einer anderen Stadt geräumt werden müssten. Um Mieter in besonders von steigenden Preisen betroffenen Stadtvierteln besser zu schützen, soll das Umwandlungsverbot konsequenter umgesetzt werden. Der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum sind dort enge Grenzen gesetzt. Bei Verkäufen sollen die Mieter zwar bevorzugt werden. Denen fehle aber oft das Geld. Eigentümer konnten sich bislang zudem auf zu viele Ausnahmeregelungen berufen und das Verbot umgehen. Diese sollen der SPD zufolge nun auf "ein Minimum" reduziert werden. Mehr Transparenz auf dem Wohnungsmarkt soll ein
"Flächen- und Immobilienregister" bewirken, aus dem ersichtlich werden soll, welche Flächen bebaut werden könnten, aber nicht bebaut werden.
Das soll gegen Spekulanten helfen. Hiermit bewegt sich die SPD auf einer Linie mit den Grünen. Deren Chef Robert Habeck hatte kürzlich ebenfalls einen solchen Vorschlag unterbreitet: Demnach dürften sich Eigentümer einer Immobilie nicht länger hinter dubiosen Briefkastenfirmen in Steueroasen verstecken. Außerdem will die SPD die Praxis sogenannter "Share Deals" beenden, bei denen Wohnungsbestände durch ein Steuerschlupfloch ohne Zahlung von Grunderwerbsteuer weiterverkauft werden können. "Durch diesen Steuertrick sparen Immobilienunternehmen hunderte Millionen Euro auf Kosten der Allgemeinheit", steht im SPD-Papier. Kommunen müssten nicht genutzte Baugrundstücke mit höheren Abgaben belegen können, damit künftig zügig gebaut werde. Wenn der Staat Grundstücke verkauft, soll eine Baupflicht im Vertrag festgeschrieben werden. Des Weiteren fordert die SPD, Auszubildende zu öffentlich geförderten Wohnungen zu verhelfen, wie das bei Studenten der Fall ist. Beim Immobilienverkauf will die SPD die Maklerkosten den Verkäufern auferlegen.
Dies war bereits von Verbraucherschutzministerin Katarina Barley (SPD) verlangt worden. Das Kabinett hatte erst in dieser Woche ein neues Gesetz zum Schutz vor überhöhten Mieten auf den Weg gebracht. Es soll die bereits geltende Mietpreisbremse verschärfen und die finanzielle Beteiligung von Mietern an Modernisierungskosten begrenzen. Außerdem sind sich SPD und Union einig, dass es mehr Geld für sozialen Wohnungsbau geben soll. Von "wichtigen Erfolgen" spricht die SPD im Forderungspapier. "Gleichzeitig wären wir als SPD gerne weiter gegangen, als es mit der Union bislang möglich war." Nahles und Schäfer-Gümbel fordern die Union auf, eine "wirksame Mieten-Wende nicht weiter zu blockieren". Schäfer-Gümbel ist Spitzenkandidat der SPD bei der anstehenden Landtagswahl in Hessen. Dort wie bei der Wahl in Bayern hat die SPD bezahlbares Wohnen zum zentralen Wahlkampfthema gemacht.
Quelle: dts Nachrichtenagentur