"Ich würde es heute anders machen" - FDP-Chef Lindner gesteht im Podcast-Gespräch Fehler ein
Archivmeldung vom 18.09.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.09.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttIm neuen Podcast des Journalisten, Autors und ex-tagesthemen-Moderators Ulrich Wickert auf Audio Now spricht FDP-Chef Christian Lindner über eigene Versäumnisse bei den Jamaika-Verhandlungen 2017 und seine Rolle bei der Skandal-Wahl des FDP-Kandidaten Kemmerich in Thüringen. Dem Vorwurf, seine Partei sei ein "Männerverein" begegnet er mit einer selbstsicheren Prognose für den bevorstehenden Bundesparteitag.
In der vierten Ausgabe seines Podcasts Wickert trifft. spricht Wickert mit Christian Lindner auch ausführlich über Persönliches, Philosophie, sein Verhältnis zur Kirche und zur Fridays for Future-Bewegung sowie seine Erfahrungen als Hobby-Jäger. Doch der Politiker muss sich auch scharfer Kritik an einigen seiner zentralen Entscheidungen stellen.
Mit der unrühmlichen Rolle seiner Partei bei den abgebrochenen Sondierungsgesprächen der Jamaika-Koalition nach der Bundestagswahl 2017 konfrontiert, sieht sich Lindner nach wie vor missverstanden: "Wenn alle gegen sie kommunizieren, haben sie keine Chance mit ihren Argumenten durchzudringen." Mit dem Abstand von drei Jahren erkenne er allerdings auch eigene Versäumnisse: "Ich würde es heute anders machen", so Lindner. Er hätte am letzten Abend der Verhandlungsrunde vor die Presse treten müssen, um fünf inhaltliche Kernpunkte zu nennen, die nach Meinung der FDP Eingang ins Regierungsprogramm finden müssten, so Lindner. Da diese Punkte während der vierwöchigen Verhandlungsphase nicht erreichbar gewesen wären, hätte man dann ankündigen müssen, sich zwei Tage zurückzuziehen "und überlegen, ob es noch weiter Sinn macht".
Eine solche Eskalation sei im Nachhinein vielleicht besser gewesen als der Abbruch, so der FDP-Chef: "Käme es noch einmal zu einer solchen Situation würde ich eher dieses Mittel wählen, weil dann man dann nach zwei Tagen immer noch sagen kann: Keine Bewegung beim Anderen. Dann wären zumindest einmal die Punkte verankert worden." Seinen umstrittenen Satz "Es ist besser, nicht regieren, als schlecht zu regieren", verteidigt Lindner auch gegen Wickerts massiven Einspruch: "Der Satz ist perfekt!"
Den hätte er sich nämlich auch vom ehemaligen FDP-Landeschef Thomas Kemmerich gewünscht, nachdem dieser sich bei der Landtagswahl in Thüringen im Februar mit Hilfe der Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten habe wählen lassen. Auf Wickerts Unverständnis hinsichtlich seiner Passivität als Parteivorsitzender - trotz eindeutiger Vorab-Warnungen vor dem Tabubruch -, beharrt Lindner darauf, seine Macht sei lediglich "aufs Fragen" beschränkt gewesen. Erst nach der Wahl habe er andere Möglichkeiten gehabt und Kemmerich den Rücktritt nahe gelegt. Ansonsten hätte er mit Konsequenzen gedroht, so Lindner, "in dem nämlich ich als Vorsitzender zurücktreten müsste. Aber nicht um mich aus der Politik zurückzuziehen, sondern mit maximaler Distanzierung erst recht in den Kampfmodus zu kommen, um das einzige Machtmittel, das ich habe zu nutzen." Der Politiker weiter: "Man kann einen Landesparteitag einberufen und da sprechen. Dazu ist es dann aber ja nicht gekommen, weil Herr Kemmerich dann erkannt hat, in was für eine Lage er sich selbst manövriert hat."
Von Wickert auf die anhaltende Debatte angesprochen, seine Partei sei nach wie vor hauptsächlich ein "Männerverein", was durch den angekündigten Rückzug der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Katja Suding weiter befeuert werde, prognostiziert der Parteichef, dass beim morgigen Bundesparteitag in Berlin auch ohne eine Quote vier von neun gewählten Plätzen im Präsidium von weiblichen Führungskräften besetzt würden. "Das heißt, wir hätten innerhalb der gewählten Parteispitze einen Anteil von 44 Prozent Frauen."
Quelle: RTL Radio Deutschland GmbH (ots)