"Grüner Punkt" als schwarzes Loch?
Archivmeldung vom 13.09.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDeutsche Umwelthilfe verlangt Aufklärung über den Verbleib mehrerer hundert Millionen Euro, die möglicherweise im Rahmen der Übernahme des Dualen Systems Deutschland (DSD) durch den US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts Co (KKR) seit Anfang 2005 versickert sind - Schreiben an DSD und Bundesminister Gabriel und Seehofer.
12. September 2006: In Schreiben an die Duales System Deutschland
GmbH (DSD) in Köln und die Bundesminister Sigmar Gabriel (SPD) und
Horst Seehofer (CSU) hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)
Aufklärung über den Verbleib von Rückstellungen in Höhe von mehreren
hundert Millionen Euro verlangt, die im Zuge der Übernahme des DSD
("Grüner Punkt") durch den US-amerikanischen Finanzinvestor Kohlberg
Kravis Roberts Co (KKR) Anfang 2005 dem Unternehmen möglicherweise
rechtswidrig entnommen worden sind.
KKR habe bei der Übernahme Aktien der damaligen Aktiengesellschaft
DSD im Wert von 260 Millionen Euro gekauft. Dem hätten zum 31.
Dezember 2004 allein liquide Mittel im Wert von 836 Millionen Euro
gegenübergestanden, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
"Von den beim DSD gebildeten Rücklagen und Rückstellungen in Höhe von
ca. 800 Mio Euro gehört ein großer Teil eindeutig den
Verbraucherinnen und Verbrauchern, die bei ihren täglichen Einkäufen
für ein hochwertiges Recycling von Grünen-Punkt-Verpackungen gezahlt
haben und dies weiter tun. Es darf nicht sein, dass derartige Summen
- bei wem auch immer - versickern. Diese Gelder müssen für die
ordnungsgemäße Rücknahme und Verwertung der Verpackungen eingesetzt
oder an die Verbraucher zurückgegeben werden", forderte Resch im
Namen der DUH, die nicht nur als Umweltschutzverband, sondern auch
als klageberechtigte Verbraucherschutzorganisation aktiv ist.
Die Kölner Duales System Deutschland GmbH (DSD) betreibt den
"Grünen Punkt", das bundesweite System zur Erfassung und Verwertung
gebrauchter Verkaufsverpackungen. Die Gesellschaft wurde 1991 von
Industrie und Handel zu ihrer Entpflichtung von individuellen
Rücknahme- und Verwertungsverpflichtungen aus der
Verpackungsverordnung gegründet und arbeitete zunächst als
Non-Profit-Unternehmen. Im Dezember 1992 erhielt DSD von allen
Bundesländern die Anerkennung als flächendeckend agierendes System
unter klar definierten Auflagen. Die wesentliche Auflage war die
Pflicht, Rückstellungen für den Fall der Einstellung des
Systembetriebs in ausreichender Höhe zu bilden. Es handelt sich
deshalb bei der Bildung von Rückstellungen nicht um eine freiwillige
Entscheidung von DSD, sondern um die Erfüllung einer
öffentlich-rechtlichen Pflicht, ohne deren Einhaltung die Anerkennung
von DSD zu widerrufen wäre.
Zum 1. Januar 2005 wurde das DSD von KKR übernommen und in ein
profitorientiertes Unternehmen umgewandelt. Dem Kaufpreis für die
Aktien in Höhe von 260 Millionen Euro standen liquide Mittel von 836
Millionen Euro gegenüber, wovon 814 Millionen Euro durch
Verbindlichkeiten gedeckt waren.
Das DSD erzielt seine Einnahmen nahezu ausschließlich aus
Lizenzverträgen für den Grünen Punkt, der Verpackungen kennzeichnet,
die an dem vom DSD betriebenen Sammel- und Verwertungssystem
teilnehmen. Die Recyclingkosten werden dadurch Bestandteil des vom
Verbraucher zu bezahlenden Kaufpreises. Insoweit verlangten Politiker
schon zum Zeitpunkt des Verkaufs des DSD an KKR, dass die Differenz
zwischen Kaufpreis und liquiden Mitteln den Verbrauchern gehörten und
an sie ausgezahlt werden müssten. Dem entgegnete DSD im Dezember
2004, dass die Rückstellungen von den Wirtschaftsprüfern und
Finanzbehörden als notwendig anerkannt wurden und "insoweit nicht für
eine Auszahlung an gegenwärtige oder künftige Aktionäre zur Verfügung
stehen."
Zwischenzeitlich wurde DSD von einer Aktiengesellschaft in eine
GmbH umgewandelt. Sie unterliegt damit nicht mehr den zuvor
bestehenden Veröffentlichungspflichten. KKR hatte seinerzeit
versichert, das DSD an die Börse bringen zu wollen. Resch: "Es ist
schon ein merkwürdiges Vorgehen, ein Unternehmen zur Vorbereitung auf
den Börsengang von einer AG in eine GmbH zu verwandeln. Da drängt
sich schon die Frage auf, ob KKR sich - ganz im Gegensatz zu den
Verlautbarungen aus dem Dezember 2004 - inzwischen aus den
Millionenrückstellungen bedient hat."
Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) hat daher das DSD gestern
schriftlich aufgefordert, den Verbleib der zum 31. Dezember 2004 noch
bestandenen bzw. die Höhe der heute noch bestehenden Rückstellungen
kurzfristig mitzuteilen.
Die DUH hat zudem Umweltminister Gabriel und Verbraucherschutzminister Seehofer aufgefordert, das DSD bzw. KKR zu veranlassen, für Transparenz zu sorgen. Kurzfristig sei die aktuelle Höhe der Rückstellungen und deren Zusammensetzung nachzuweisen. Sollten die Rückstellungen inzwischen zum Teil aufgelöst worden sein, müsste das DSD nach Überzeugung der DUH den Nachweis führen, dass und wie sie an die Verbraucher zurück gegeben wurden.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe e. V.