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WAZ: Druck auf den „Finanzsünder” Deutschland: Beim Haushalt redet Brüssel mit

Archivmeldung vom 13.09.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.09.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Deutschland streitet über einen möglichen Finanzminister, nicht aber über die tatsächliche Finanzlage. Regierung und Opposition ringen im Wahlkampfschlussspurt erbittert um die Deutungshoheit, ob Paul Kirchhofs Ideen den fiskalischen „Garten der Freiheit” verheißen oder geradewegs in ein sozialfinsteres Versuchslabor des „Professors aus Heidelberg” führen.

Die wüste Interpretationsschlacht ignoriert fahrlässig, dass die Finanz- und Steuerpolitik schon lange nicht mehr nur „in Berlin gemacht” wird, wie es Bundeskanzler Schröder formulieren würde. Die EU-Kommission könnte schon sehr bald dafür sorgen, dass der debattier-freudige Berliner Politikbetrieb auf simple Grundrechenarten zurückgeworfen wird. Man hätte sich wieder auf haushälterisches Handwerkszeug zu konzentrieren: die gesunde Balance von Einnahmen und Ausgaben. Denn wenn nicht alles täuscht, geht Brüssel im Umgang mit dem finanzpolitischen Dauersünder Deutschland allmählich die Geduld verlustig. Viermal in Folge hat der leidgeprüfte Kassenwart Hans Eichel mit seinem Zahlenwerk den EU-Stabilitätspakt gerissen. Er konnte den Abstieg Deutschlands vom Musterschüler zum Sorgenkind immer wieder wortreich erklären und erntete im Kreis der Euro-Länder stets maximale Milde. Nun aber scheint endgültig Schluss zu sein mit Schonung. Im Spätherbst dürfte die EU erstmals konkrete Sparmaßnahmen verhängen. Der Haushalt des größten Mitgliedsstaates würde quasi unter Kuratel gestellt. Neben dem Imageschaden bedeutete dies für eine neue Bundesregierung auch eine schwere Hypothek gleich zu Beginn ihrer Amtszeit. Das Einlösen von teuren Wahlversprechen und sonstige Bürgerbeglückung müsste ausfallen Nachdem das Bundesvermögen schon weitgehend versilbert und nahezu jeder Buchungstrick vollführt ist, ginge es allmählich ans Eingemachte. Die Spielräume schrumpften, die Haushaltsnöte wüchsen. Dafür bekäme eine Politik des Maßhaltens endlich neue Legitimation: Unter dem Druck der Brüsseler Finanzfesseln müsste sich jede Regierung nolens volens „ehrlich machen” – auch wenn darüber wenige Tage vor der Wahl lieber noch niemand nachdenken mag.

Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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