In der SPD regt sich Widerstand gegen Afghanistan-Einsatz
Archivmeldung vom 24.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn der SPD-Bundestagsfraktion wächst der Widerstand gegen den Anti-Terror-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Mehrere SPD-Abgeordnete äußerten gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ, Dienstagausgabe) Kritik am Mandat "Operation Enduring Freedom" (OEF).
"Wir lassen uns von Geiselnehmern nicht erpressen und
wollen uns nicht komplett aus Afghanistan zurückziehen, aber es
spricht viel dafür, OEF auslaufen zu lassen", sagte der
SPD-Abgeordnete Niels Annen. "Sechs Jahre nach dem 11. September den
Anti-Terror-Krieg so weiterzuführen, ist nicht mehr überzeugend. Denn
die Resultate sind sehr ernüchternd."
Die Dortmunder SPD-Abgeordnete Ulla Burchardt sagte der WAZ: "Es
ist Zeit, Ziele und Mittel der OEF-Mission und des Tornado-Einsatzes
in Frage zu stellen." Burchardt verwies auf die hohe Zahl an zivilen
Opfern. Auch die SPD-Politikerin Christel Humme sieht den OEF-Einsatz
skeptisch. "Wir benötigen eine intensive Debatte über die
Sinnhaftigkeit des Afghanistan-Einsatzes", sagte Humme.
Kritische Stimmen finden sich auch in der Union. Der
CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler sprach sich gegenüber der WAZ für ein
Ende der Bundeswehr-Mission aus. Die Strategie der Truppen in
Afghanistan sei gescheitert. "Unter dem Schutz der NATO" verkomme
selbst die Hauptstadt Kabul "zu einem Tummelplatz von Drogenbaronen
und ihren Helfern", sagte Gauweiler. Während von Amerika faktisch
straffrei gestellte Söldner als "private Sicherheitskräfte" in Kabul
ihr Unwesen trieben, verarme ein Großteil der Bevölkerung.
Provozierend fügt Gauweiler hinzu: Angesichts dieser verheerenden
Verhältnisse sei es "fraglich, ob Widerstandshandlungen einer durch
solche Lebensumstände geplagten Bevölkerung tatsächlich als
,Terrorismus' eingestuft werden dürfen".
Der Bundeswehrverband forderte gegenüber der WAZ mit Blick auf
Afghanistan ein Umdenken. "So kann es nicht weitergehen", sagte
Verbandssprecher Wilfried Stolze. Er forderte, die internationale
Gemeinschaft müsse ihre Strategie für Afghanistan überdenken. "Nur
mit Soldaten sind die Probleme nicht zu lösen." Der Aufbau von Justiz
und Verwaltung müsse ebenso beschleunigt werden wie die Ausbildung
der Polizei. "Es ist ein krasses Missverhältnis, dass wir mit 3000
Soldaten vor Ort sind, aber nur 41 Polizisten entsenden, die Afghanen
ausbilden."
Die Taktik der Alliierten, mutmaßliche Terroristen durch Luftangriffe zu bekämpfen, sieht der Bundeswehrverband skeptisch. "Denn die hohe Zahl an Opfern unter der Zivilbevölkerung treibt die Menschen in die Arme der Taliban und Al-Kaida-Kämpfer", sagte Stolze. Er appellierte an die Bundesregierung, den Bürgern in Deutschland den Sinn des Bundeswehr-Engagements am Hindukusch besser zu vermitteln. "Die Soldaten dürfen nicht den Eindruck bekommen, dass sie im Stich gelassen werden. Das ist unsere Hauptsorge."
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung