Ex-Präsident des NRW-Verfassungsgerichtshofs: Nominierung von der Leyens war Bruch des Koalitionsvertrags
Archivmeldung vom 04.07.2019
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Freigeschaltet durch André OttDer frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen, Michael Bertrams, hat die Nominierung Ursula von der Leyens (CDU) als EU-Kommissionspräsidentin als "klaren Bruch des Koalitionsvertrags" durch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnet.
"Merkel war nicht legitimiert, die Verteidigungsministerin vorzuschlagen oder einen entsprechenden Vorschlag - von wem auch immer er gekommen sein mag - zu akzeptieren und sich anschließend an der Nominierung durch den Rat der Staats- und Regierungschefs zu beteiligen", sagte der Jurist dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Freitag-Ausgabe). Das Argument, Merkel habe sich in der Abstimmung der 28 Staats- und Regierungschefs der Stimme enthalten, geht nach Bertrams' Worten "so sehr am Problem vorbei, dass es nur scheinheilig genannt werden kann: nach außen brav, nach innen gerissen".
Bertrams begründete seine Position mit einer Bestimmung im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD. Über die Arbeit der Bundesregierung heißt es dort: Im Kabinett wird in Fragen, die für einen Koalitionspartner von grundsätzlicher Bedeutung sind, keine Seite überstimmt. "Was ist die Nominierung für das wohl wichtigste Amt auf europäischer Ebene anderes als eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung?", fragte Bertrams. Zwar sei der Koalitionsvertrag eine politische Übereinkunft. "Aber auch dafür gilt: Vertragswidriges Verhalten ist ein Rechtsbruch. Was sonst? Pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten, das ist ein wesentlicher Rechtsgrundsatz." Die Kanzlerin habe das Votum der SPD für das "Spitzenkandidaten-Prinzip" bei der Auswahl des neuen EU-Kommissionspräsidenten ignoriert.
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger (ots)