Christ warnt vor "Krise des politischen Systems" in Deutschland
Archivmeldung vom 27.12.2019
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Freigeschaltet durch André OttDer Unternehmer Harald Christ, der zum Jahreswechsel seine SPD-Mitgliedschaft niederlegt, bescheinigt der politischen Spitze in Deutschland einen desolaten Zustand. "Was wir gegenwärtig erleben, ist nicht eine Krise der Parteien sondern eine Krise unseres politischen Systems", schreibt Christ in einem Gastbeitrag für das "Handelsblatt".
"Die Gesellschaft eines erfolgreichen, weithin um seinen Wohlstand beneideten Landes macht sich mit zerstörerischer Energie daran, das politische System, welches den Wohlstand ermöglicht hat, zu unterminieren und zu zersetzen." Auch der SPD, die er im Streit um deren wirtschaftspolitischen Kurs zum Jahreswechsel verlässt, stellt der Finanz- und Wirtschaftsfachmann kein gutes Zeugnis aus: "Die Sozialdemokraten nähern sich der machtpolitischen Bedeutungslosigkeit."
Christ schreibt weiter: "Dass mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans nun zwei weithin unbekannte und in der Bundespolitik unerfahrene Politiker die Nachfolge von Schumacher, Ollenhauer, Brandt und Schröder antreten, wirft ein grelles Schlaglicht auf die verzweifelte Lage des Patienten SPD: Wo es die Ärzte nicht mehr richten können, sollen jetzt Laien an den OP-Tisch treten." Einen erheblichen Teil der Schuld an "diesem Desaster" tragen seiner Meinung nach "die bisher führenden Sozialdemokraten selbst", so das ehemalige
SPD-Mitglied.
"An der SPD-Basis musste es zwangsläufig zu einem Abwehrreflex kommen, als sich Minister, Ministerpräsidenten und führende Abgeordnete für Vizekanzler Olaf Scholz als neuen Parteichef aussprachen. Sie alle verkörpern an der Parteibasis eben jenes Establishment, das den Niedergang der SPD über viele Jahre, eigentlich seit dem Jahr 2002, verantwortet hat."
Aber auch in der CDU sei "der Zerfallsprozess inhaltlich inzwischen weit fortgeschritten", so Christ. "Beides, der Niedergang der SPD und der rapide Autoritätsverlust bei den Christdemokraten haben eines gemeinsam. Sie werden angetrieben von autoaggressivem Verhalten: Man verletzt sich selbst, um sich durch den Schmerz des eigenen Bewusstseins zu versichern." Im "Handelsblatt" warnt der Berliner: "Wir sind nach Kräften dabei, ein System abzuschaffen ohne die geringste Ahnung zu haben, was an seine Stelle treten soll oder könnte."
Quelle: dts Nachrichtenagentur