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Keine klaren Mehrheiten bei der Hamburg-Wahl - Grüne und Linke gleichauf

Archivmeldung vom 18.02.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.02.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Knapp eine Woche vor der Wahl in Hamburg zeichnen sich keine klaren Mehrheiten für die nächste Bürgerschaft ab. Nach einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des NDR könnte die CDU 39 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, die SPD würde einen Wähleranteil von 35 Prozent erreichen.

Die CDU müsste damit deutliche Verluste im Vergleich zur Bürgerschaftswahl 2004 hinnehmen, als sie mit 47,2 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Hamburger Bürgerschaftswahl erzielte. Die SPD, die im Jahr 2004 ihr bisher schlechtestes Ergebnis erzielte, kann dagegen mit Gewinnen rechnen.

Die Grünen kommen derzeit auf 9 Prozent. Auch sie spüren die Konkurrenz der Linkspartei und müssen mit Verlusten im Vergleich zu ihrem guten Ergebnis (12,3 Prozent) von 2004 rechnen. Die Linke steigt weiter an und liegt derzeit bei 9 Prozent . Sie profitiert offensichtlich vom Steuerskandal um den Ex-Postchef Zumwinkel. Dieser bietet der aktuellen Diskussion um soziale Ungerechtigkeit im Land zusätzliche Nahrung. Die FDP kommt auf einen Stimmenanteil von 5 Prozent und hat damit die Chance auf den Einzug in die Hamburgische Bürgerschaft. Auf sonstige Parteien entfielen zusammen 3 Prozent. Wäre dies das Ergebnis des Urnengangs, verlöre die CDU ihre absolute Mehrheit der Sitze. Die Bildung eines schwarz-grünen Senats wäre nur möglich, wenn die FDP an der 5%-Hürde scheitern würde. Gelänge der FDP der Sprung in die Bürgerschaft, verfügten rechnerisch neben einer großen Koalition nur Dreierbündnisse über die notwendige Mandatsmehrheit.

Bei der konkreten Zusammensetzung des nächsten Senats haben die Hamburger keine  klaren Präferenzen, zumal die beliebtesten Regierungsvarianten der Bürger rechnerisch voraussichtlich nicht möglich sein werden. Noch den größten Zuspruch erhält ein rot-grünes Bündnis, das die Wunschkonstellation bei 30 Prozent der Bürger ist. Ein Bündnis aus CDU und FDP bevorzugen 17 Prozent. Jeder Zehnte spricht sich für eine große Koalition aus CDU und SPD aus (10 Prozent). Eine schwarz-grüne Koalition - derzeit heiß diskutiert - wird nur von jedem sechzehnten Wahlberechtigten genannt (6 Prozent), etwa genauso häufig wie ein rot-rot-grünes Bündnis (7 Prozent). Die Anhänger der Grünen befürworten in erster Linie ein Zusammengehen mit der SPD (63 Prozent). Jeder Neunte von ihnen (12 Prozent) kann sich ein schwarz-grünes Bündnis vorstellen.

Obwohl die CDU nach wie vor die stärkste Partei ist,  plädiert die Hälfte der Hamburger (49 Prozent) für einen SPD-geführten Senat nach dem 24. Februar.  Weniger, nämlich 42 Prozent, wünschen sich weiterhin einen von der CDU geführten Senat. Unmittelbar vor der letzten Wahl im Februar 2004 war das Meinungsbild umgekehrt: Damals sprach sich mehr als die Hälfte (53 Prozent) für einen CDU-geführten Senat aus.

Schon vor dem Rededuell fällt der Vorsprung von Beusts vor dem SPD-Spitzenkandidaten nicht mehr so deutlich aus wie in den letzten Wochen: Könnten die Hamburger ihren Ersten Bürgermeister direkt wählen, würden derzeit 50 Prozent der Bürger für den Amtsinhaber und 43 Prozent für seinen Herausforderer votieren. Damit ist der Vorsprung von Beusts innerhalb der letzten Tage von 13 auf 7 Punkte geschrumpft.

Bildung ist laut Umfrage auch eine Woche vor dem Urnengang das entscheidende Thema. Die Situation an Schulen und Universitäten steht mit 42 Prozent in der Problemwahrnehmung der Hamburger weiterhin deutlich an erster Stelle vor den Verhältnissen am Arbeitsmarkt (26 Prozent). Das Thema ist damit ähnlich wichtig wie 2004, steht jedoch bei dieser Bürgerschaftswahl auf dem Spitzenplatz, da die Arbeitsmarktlage nicht mehr als derart problematisch betrachtet wird wie vor vier Jahren.

Die Problembereiche "soziale Ungerechtigkeit" und Innere Sicherheit (je 18 Prozent) sowie die Familienpolitik (16 Prozent) folgen auf den Plätzen drei bis fünf. Das Thema Soziales hat im Vergleich zu Anfang Februar an Bedeutung gewonnen, während das Thema Innere Sicherheit nach dem Abflauen der Diskussion um die Verschärfung des Jugendstrafrechts merklich an Wichtigkeit eingebüßt hat. Die Ränge 6 und 7 belegen die Themen Integration von Ausländern (12 Prozent) und Umweltschutz (11 Prozent), deren Stellenwert im Wahlkampf ebenfalls gestiegen ist. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage wird von 10 Prozent angemahnt, auf den Themenbereich der Verkehrsinfrastruktur und Stadtentwicklung entfallen 6 Prozent der Nennungen.

Bei der Bewertung der politischen Arbeit des CDU-Senats überwiegt mittlerweile die Kritik: 51 Prozent der Hamburger stellen dem Beust-Kabinett ein negatives Zeugnis aus, 46 Prozent beurteilen den Senat wohlwollend. Anfang Februar überwogen noch die positiven Urteile. Die Hamburger Bürger ziehen eine differenzierte Bilanz der zu Ende gehenden Legislaturperiode. Mit der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik  der Beust-Regierung sind die Hanseaten mehrheitlich zufrieden (65 zu 27 Prozent bzw. 54 zu 40 Prozent) . Beim Schuldenabbau zur Haushaltskonsolidierung sind die Meinungen geteilt (42 : 42 Prozent), beim langjährigen Hamburger Problemthema Innere Sicherheit überwiegt die Kritik leicht (46 : 50 Prozent). Die Umweltpolitik des Senats beurteilt dagegen eine deutliche Mehrheit skeptisch (40 : 56 Prozent).

Im Unterschied zu den wirtschaftspolitischen Themenbereichen fällt die Bilanz der Regierungsarbeit auf den sozialpolitischen Politikfeldern deutlich negativ aus. Der Unmut ist am größten in der Schul- und Bildungspolitik (21 : 71 Prozent) - dem wichtigsten Thema der politischen Agenda. Auch die Sozialpolitik im Allgemeinen (30 : 66 Prozent) sowie die Familienpolitik (32 : 59 Prozent) wird von einer großen Mehrheit negativ bewertet. Hamburg weist mit 14,2 Prozent den höchsten Ausländeranteil im Vergleich der Bundesländer auf (Stand 31.12. 2006), so dass die Integrationspolitik in Hamburg vor schwierigen Aufgaben steht. Auch hier fällt die Senats-Bilanz klar negativ aus (32 : 58 Prozent).

Das Fazit der differenzierten Regierungsbilanz zeigt, dass die Hamburger in fünf der sechs wichtigsten Problembereiche, in denen sie von der Politik dringend Lösungen erwarten, mehrheitlich nicht mit den Leistungen des Senats zufrieden sind.

Wichtig für die Wahlentscheidung der Bürger ist vor allem, welcher Partei sie die Lösung der dringendsten politischen Probleme zutrauen. Gut eine Woche vor der Wahl zeigt sich eine deutliche thematische Trennlinie zwischen den beiden Volksparteien CDU und SPD, die auch die Wahlkampfstrategien der Parteien widerspiegelt. Die CDU setzt in ihrem Bilanzwahlkampf auf Erfolge in Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik und im Bereich der Inneren Sicherheit. Die Hamburger Bürger trauen der CDU auch eher als der SPD zu, die Wirtschaft in Hamburg voranzubringen (60 : 25 Prozent), die Beschäftigungssituation zu verbessern (46 : 33 Prozent) und die Bürger vor Kriminalität und Verbrechen zu schützen (46 : 30 Prozent). Auch bei der Lösung der Verkehrsprobleme der Hansestadt verfügt die CDU über einen Vorsprung vor der SPD, der jedoch nicht ganz so deutlich ausfällt. (33 : 26 Prozent).

 Im Mittelpunkt des SPD-Wahlkampfes stehen soziale Themen. In ihrem klassischen Politikfeld der Herstellung sozialer Gerechtigkeit distanzieren die Hamburger Sozialdemokraten die CDU als kompetenteste Partei deutlich (48 : 19 Prozent). Beim wichtigsten Thema der politischen Agenda - der Bildungspolitik - kann die SPD zunehmend mehr Vertrauen auf sich ziehen als die CDU (42 : 26 Prozent) Die SPD genießt darüber hinaus auch in der Familienpolitik (46 : 21 Prozent) und bei der Verbesserung der Situation in Problemstadtteilen (40 : 23 Prozent) das größte Vertrauen. Über ihre Kernkompetenz der Umweltpolitik hinaus (57 Prozent) sind die Grünen in Hamburg insbesondere im Bereich der Verkehrspolitik (13 Prozent) und den sozial-politischen Themen soziale Gerechtigkeit, Familienpolitik und Stadtteilpolitik sowie Bildungspolitik profiliert. Die derzeit nicht im Parlament vertretene FDP kann am ehesten mit ihrer Programmatik in der Bildungspolitik (4 Prozent) sowie den Bereichen Wirtschaft, und Verkehr (je 3 Prozent) punkten. Der Linkspartei gelingt eine deutliche Profilierung bei den sozialen Themen. Bei der Schaffung sozialer Gerechtigkeit liegt sie mit 11 Prozent vor den Grünen, aber auch in der Familienpolitik (6 Prozent) und der Verbesserung der Lage problematischer Stadtteile (7 Prozent) zieht die Linke beachtliches Vertrauen auf sich.

In der summarischen Bewertung, welche Partei am ehesten die Zukunftsprobleme der Stadt lösen kann, ist der Vorsprung der regierenden CDU im Wahlkampf geschmolzen: 35 Prozent schreiben den Christdemokraten die größte Kompetenz zu, 33 Prozent der SPD. Die SPD hat im Verlauf des Wahlkampfes in fast allen Politikfeldern Boden gut gemacht. Die CDU konnte ihre dominierende Stellung in wirtschaftspolitischen Fragen behaupten, hat jedoch in sozialen Fragen und insbesondere in der Familien- und Bildungspolitik Kompetenzverluste zu verzeichnen. Dies gilt auch im Vergleich zur Bürgerschaftswahl 2004, als die summarische Zukunftskompetenz noch deutlich bei der CDU lag (43 : 27 Prozent).

Die Bürgerschaftswahl 2008 steht ähnlich wie zuletzt die Bürgerschaftswahl 2004 weitgehend unter landespolitischen Vorzeichen. Sieben von zehn Wahlberechtigten (71 Prozent) geben an, dass der Landespolitik die wichtigste Rolle bei ihrer Wahlentscheidung zukommt. Die Bundespolitik spielt nur für 17 Prozent eine entscheidende Rolle. Weit überdurchschnittlich bundespolitisch motiviert sind die Wähler der Linkspartei (34 Prozent).

Eine sehr wichtige Rolle für den Ausgang der Bürgerschaftswahl wird der Wahlbeteiligung und damit der Mobilisierungsfähigkeit der Parteien zukommen. Derzeit zeigen sich 70 Prozent der Hamburger am bevorstehenden Urnengang sehr stark (26 Prozent) oder stark (44 Prozent) interessiert. Damit ist das Interesse etwas niedriger als vor vier Jahren.

Ein beträchtlicher Teil der Wähler entscheidet erst kurz vor dem Urnengang, wem er seine Stimme gibt. Etwa vier von zehn wahlberechtigten Hanseaten sind noch nicht auf eine Partei festgelegt. Dabei kann sich die CDU ihrer derzeitigen Anhängerschaft am sichersten sein. Gut ein Drittel der Anhänger von Grünen und FDP geben an, ihre Entscheidung bis zum Wahltag eventuell noch einmal überdenken zu wollen.

Für die Umfrage befragte das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap am 14. und  15. Februar 1000 zufällig ausgewählte wahlberechtigte Hamburger per Telefon. Die Fehlertoleranz beträgt 1,4 Prozentpunkte bei 5 % Anteilswert, 3,1 Prozentpunkte bei 50 % Anteilswert).

Quelle: Infratest dimap im Auftrag des NDR

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