Landkreistag befürchtet Finanzkollaps
Archivmeldung vom 10.08.2024
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.08.2024 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićEin Großteil der Landkreise in Deutschland ist am Limit der Leistungsfähigkeit von Verwaltungen und Einrichtungen vor Ort und kämpft mit massiven finanziellen Problemen.
"Wir werden immer öfter mit Krisen konfrontiert, die wir meistern
müssen", sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard
Sager, der "Welt am Sonntag". Das gelinge ja auch, aber der Punkt sei:
Den Landkreisen würden fortgesetzt neue Aufgaben übertragen, dazu steige
die Zahl der Vorschriften. "Wir ersticken in Bürokratie. Das
verlangsamt die Entscheidungen in den Kreisverwaltungen zum Beispiel bei
der Genehmigung von Gebäuden oder beim Klimaschutz."
Immer
häufiger fehle den Kreisen selbst für Pflichtaufgaben die nötigen
Mittel. "Die Finanzlage spitzt sich weiter erheblich zu, denn von den
294 Landkreisen in Deutschland waren im vergangenen Jahr 219 defizitär
und konnten keinen Haushaltsausgleich schaffen", so Sager. 2022 wiesen
die Kreise insgesamt noch einen Überschuss von 600 Millionen Euro aus,
ein Jahr später steht am Ende ein Minus von 1,83 Milliarden Euro.
Die
weiteren Aussichten sind demnach schlecht. 2024 und in den kommenden
Jahren müssen die meisten Landräte weiter auf Rücklagen zurückgreifen
und noch Kredite aufnehmen. Nach Berechnungen des Landkreistages für die
"Welt am Sonntag" werden die kommunalen Ebenen insgesamt, also
Landkreise, Städte und Gemeinden, am Ende dieses Jahres ein Defizit von
13,2 Milliarden Euro ausweisen.
"Wir brauchen eine
bedarfsgerechte Finanzausstattung, konkret: Bund und Länder müssen uns
das Geld geben, das wir brauchen, um unsere Aufgaben erfüllen zu
können", fordert Sager. "Mit den wachsenden Aufgaben steigen unsere
Kosten. Allein die Unterkunftskosten im Rahmen des Bürgergeldes, die die
Landkreise auszahlen, sind eine gewaltige und zunehmende Belastung",
zählt er auf. Zudem hätten die Personalkosten aufgrund der jüngsten
Tarifabschlüsse deutlich zugelegt.
Von den gesamtstaatlich zu
erfüllenden Aufgaben und Ausgaben entfallen 25 Prozent auf die Kommunen.
Vom gesamten Steueraufkommen, das zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
verteilt wird, bekommen sie aber nur 14 Prozent. "Diese Lücke kann doch
jeder sehen und feststellen, dass das nicht gut gehen kann", so Sager.
Daher
fordert der Landkreistag "einen höheren Anteil bei der Verteilung der
Umsatzsteuer". An die Städte und Gemeinden fließen aktuell 2,2 Prozent
des gesamtdeutschen Umsatzsteueraufkommens, der Rest geht an Bund und
Länder. "Das muss neu verteilt werden, die Landkreise sollten zudem auch
direkt an dieser Steuer beteiligt werden", so Sager. Der
Verteilungsschlüssel sollte sich dabei nicht nur an der
Wirtschaftskraft, sondern auch an der Einwohnerzahl ausrichten, damit
besonders strukturschwache Kreise stärker profitieren könnten.
Ändert
sich nichts an der Finanzlage, wird es weitere Einschnitte bei den
freiwilligen Ausgaben geben, warnt der Landkreistag. Dann wären Landräte
gezwungen, Zuschüsse für Sportvereine, Museen, Büchereien oder
Musikschulen, bei der Ausstattung der Feuerwehr und weiterem zu kürzen
oder streichen. All das würden die Bürger unmittelbar spüren. "Ich
glaube, das wäre angesichts der angespannten Stimmung im Land fatal",
sagte Reinhard Sager.
Quelle: dts Nachrichtenagentur