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Union kritisiert Wulffs Krisen-Management

Archivmeldung vom 09.01.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.01.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Christian Wilhelm Walter Wulff Bild: wikipedia.org
Christian Wilhelm Walter Wulff Bild: wikipedia.org

Die Diskussion um Bundespräsident Christian Wulff hält weiter an, auch innerhalb der Union stößt dessen Umgang mit der Situation auf scharfe Kritik. "Das Krisenmanagement war wirklich nicht gut", erklärte Unionsfraktionschef Kauder in der ARD. Allerdings habe Wulff selber schwere Fehler zugegeben und zugleich eingeräumt, dass es besser gewesen wäre gleich zu Anfang alles offenzulegen.

"Ich kann jetzt überhaupt nicht erkennen, dass in der Sache neue Themen gekommen wären und insofern, glaube ich, sollten wir jetzt auch wieder zu den Themen übergehen, die unser Land, für unser Land von besonderer Bedeutung sind", erklärte Kauder und bezeichnete alle Diskussionen über einen neuen Kandidaten als Unsinn. SPD und Grüne hatten zuvor angeboten, mit der Koalition bei der Suche nach einem Nachfolger zusammenzuarbeiten - und auf einen eigenen Kandidaten zu verzichten.

Grünen-Fraktionschefin Künast: Bei Wulff stehen persönliche Motive im Vordergrund

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hat Bundespräsident Christian Wulff vorgeworfen, dass bei ihm in der Kredit- und Medienaffäre persönliche Motive im Vordergrund stehen. "Diesem Präsidenten geht es anscheinend nur um seine Befindlichkeit, aber nicht um die Aufgabe des Amtes", sagte Künast der "Rheinischen Post". Es sei ein "echtes Trauerspiel", wie er mit der Wahrheit und dem Amt umgehe. "Dem Ansehen des Amtes schadet inzwischen auch die abgetauchte Bundeskanzlerin", sagte Künast.

Grünen-Chefin Roth: Wulff muss alle Tatsachen auf den Tisch legen

Nach Ansicht der Grünen-Parteivorsitzenden Claudia Roth muss Bundespräsident Christian Wulff "endlich alle Tatsachen auf den Tisch legen". Im "Bericht aus Berlin" (ARD) erklärte Roth zudem, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "nicht aus dem Staub machen" dürfe, sondern "sich erklären" müsse. "Ich finde, wir erleben im Moment ein bizarres Spektakel. Wir erleben eine Erosion von Werten und von politischem Anstand", sagte die Parteivorsitzende der Grünen. Ebenso wie SPD-Chef Sigmar Gabriel machte auch Roth den Regierungsparteien das Angebot, gemeinsam einen geeigneten Nachfolger für Wulff zu finden. Roth habe eine großes Interesse daran, "dass es in unserer Demokratie eine starke moralische Instanz gibt" und dies sei der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin. Sie frage sich, wie "Herr Wulff diese Autorität gewinnen" wolle, da er doch "so dramatisch an Glaubwürdigkeit verloren" habe.

SPD will bei Wulff-Rücktritt an Gauck festhalten

Im Falle eines möglichen Rücktritts von Bundespräsident Christian Wulff würde die SPD erneut den ostdeutschen Bürgerrechtler Joachim Gauck als Kandidaten aufstellen. "Für die SPD gibt es keinen Grund, mit einem anderen Kandidaten als Joachim Gauck in die Gespräche zu gehen", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels der Tageszeitung "Die Welt". Auch in Parteikreisen heißt es: "Selbstverständlich kommt Joachim Gauck in einem solchen Fall als Kandidat für das höchste Staatsamt infrage."

Im Willy-Brandt-Haus ist davon die Rede, dass man "über den Tag nach Wulff nachdenken" müsse. Bartels sagte weiter: "Gauck war schon im Jahre 2010 der geeignete überparteiliche Konsens-Kandidat. Wenn wir damals eine rein sozialdemokratische Lösung gewollt hätten, wären von uns Kurt Beck oder Franz Müntefering, die gleichfalls sehr geeignet sind, vorgeschlagen worden."

Michael Roth, Bundestagsabgeordneter und Generalsekretär der hessischen SPD, sprach sich ebenfalls für Gauck aus. "Joachim Gauck passt in diese Zeit. Er wäre ein Bundespräsident, der weder sich noch das Land blamiert", sagte Roth der Zeitung. Gauck wäre ein Präsident, "der etwas zu sagen hat und nicht unter Druck steht, uns mit seinen privaten Verhältnissen behelligen zu müssen." In Zeiten knapper Mehrheiten sei ein Kandidat gefragt, der nicht klar einer Partei zuzuordnen sei. "Herr Gauck hat schon 2010 sehr respektabel abgeschnitten und viele Menschen für sich begeistert, auch außerhalb von SPD und Grünen."

Da SPD und Grüne keine eigene Mehrheit in der Bundesversammlung haben, setzen sie auf einen Konsens-Kandidaten. Die schwarz-gelbe Koalition hat eine Mehrheit von vier Stimmen, konnte aber schon 2010 ihre viel deutlichere Mehrheit erst im dritten Wahlgang zur Geltung bringen.

Union weist Neuwahl-Forderung der SPD bei Rücktritt Wulffs zurück

Die Union hat die Forderung von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nach Neuwahlen im Fall eines Rücktritts von Bundespräsident Christian Wulff zurückgewiesen. "Die Forderung der SPD nach Neuwahlen offenbart die Gewissenlosigkeit der Sozialdemokratie, die Stabilität unseres Staates der Parteipolitik zu unterwerfen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, der "Leipziger Volkszeitung"

Zugleich wies der CSU-Politiker auf Grenzen der Unterstützung auch für den Bundespräsidenten hin. "Es gibt für niemanden unendliche Solidarität. Aber auch wenn das Krisenmanagement des Bundespräsidenten nicht immer optimal war, gibt es keinen Grund, ihm die Unterstützung aufzukündigen", so Müller.

Nahles hatte zuvor in der "Bild am Sonntag" für den Fall eines Rücktritts von Wulff Neuwahlen gefordert. "Bei einem Wulff-Rücktritt muss sich Angela Merkel dem Votum der Wähler stellen. Ich vermute, dass sie genau deshalb das offene Wort über Wulff vermeidet. Die Affäre Wulff ist jetzt auch eine Affäre Merkel", so die SPD-Generalsekretärin.

Wulff will Kreditaffäre unbeschadet überstehen

Bundespräsident Christian Wulff hofft, die Affäre um seinen umstrittenen Privatkredit über 500.000 Euro unbeschadet zu überstehen. Nach Informationen von "Bild am Sonntag" sagte Wulff auf einem Neujahrsempfang für seine Mitarbeiter am Freitagnachmittag: "In einem Jahr ist das alles vergessen." Der Präsident versicherte, er wolle bis 2015 einen guten Job machen und sei zuversichtlich, "dass dieses Stahlgewitter bald vorbei ist". Wulff betonte, er wolle dem Amt den zweiten Rücktritt nach Horst Köhlers Abgang im Mai 2010 ersparen.

Nach Informationen von "Bild am Sonntag" treibt Wulff mit seinem Staatssekretär Lothar Hagebölling die Planungen für das neue Jahr voran. Besonders im Fokus steht dabei der Empfang für die Angehörigen der Opfer der Zwickauer Nazi-Bande am 23. Februar. Wulff hat den Liedermacher Stephan Sulke gebeten, eigens dafür ein Lied zu komponieren.

Lehrerverband warnt vor Politikverdrossenheit an Schulen

Der Deutsche Lehrerverband hat vor den Folgen der Debatte um Bundespräsident Christian Wulff für das Interesse von Schülern und Lehrern an politischen Themen gewarnt. "Die mittlerweile vier Wochen quälender öffentlicher Debatte um den Bundespräsidenten, dessen Porträtbild übrigens in vielen Schulen hängt, sind alles andere als geeignet, Schüler und Lehrer für engagiertes politisches Diskutieren zu gewinnen", sagte Verbandspräsident Josef Kraus der Onlineausgabe des "Handelsblatts". "Allerdings sollten die Schulen die aktuellen Vorgänge um den Bundespräsidenten als eine Chance für ausgewogene politische Bildungsarbeit sehen", fügte Kraus hinzu. Dabei müsse in der gebotenen Differenzierung durchaus auch diskutiert werden, welche Rolle die Medien als sogenannte vierte Gewalt spielen "und was es bedeutet, wenn der Träger des obersten Amtes im Staate nicht ohne eigenes Zutun am kurzen Zügel der Medien hängt". Diese Aufklärungsarbeit sei auch deshalb nötig, weil die allgemeine Politik- und Politikerverdrossenheit "tagtäglich auch in den Schulen zu spüren" sei, betonte Kraus.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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