Grüne lehnen Familiensplitting als unsozial ab
Archivmeldung vom 27.08.2012
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Grünen lehnen das von der Union angedachte Familiensplitting ab. "Es honoriert weiterhin die Nichterwerbstätigkeit eines Partners und verschärft zudem die soziale Schieflage des Ehegattensplittings", schreiben die Vize-Fraktionsvorsitzenden Kerstin Andreae und Ekin Deligöz in einem Papier, das dem "Handelsblatt" (Montagausgabe) vorliegt.
Zuletzt hatten sich diverse CDU-Politiker bis hin zu Fraktionschef Volker Kauder für ein Familiensplitting ausgesprochen. Dabei schwebt der CDU ein Modell vor, bei dem das Gesamteinkommen einer Familie nicht nur durch zwei geteilt wird sondern etwa bei zwei Eltern und zwei Kindern durch drei oder bei drei Kindern durch vier. Der Splittingvorteil für Kinderlose würde parallel erhalten bleiben. Das jedoch würde "die bestehende Ungerechtigkeit weiter verschärfen", weil vor allem Bessergestellte profitieren würden, argumentieren Andreae und Deligöz. "Dem Großteil der Kinder beziehungsweise der Familien wäre kein bisschen geholfen." Zudem wäre das Familiensplitting deutlich teuer als das Ehegattensplitting, das nach Angaben des Bundesfinanzministeriums das Steueraufkommen jährlich um rund 20 Milliarden Euro mindert.
Die Grünen favorisieren dagegen einen radikalen Umbau: Sie würden das Ehegattensplitting zwar mit Rücksicht auf die Verfassung nicht völlig abschaffen, aber auf die Übertragung des Grundfreibetrages beschränken. Danach könnte in einer Alleinverdiener-Ehe derjenige, der nicht arbeitet, sein steuerliches Existenzminimum von derzeit 8004 Euro pro Jahr auf den anderen übertragen. Damit würde der Steuervorteil bei Besserverdienenden weit niedriger ausfallen: Statt heute bis zu gut 15.000 Euro wären es "nur" knapp 4.000 Euro. Für langjährige Ehen wollen die Grünen eine Übergangslösung. Generell werfen Andreae und Deligöz der Union Konzeptionslosigkeit vor: Einerseits fördere sie massiv die Allein- und Hauptverdiener-Ehe und stelle so hohe Hürden für die Rückkehr von Frauen in den Job auf, andererseits zwinge das neue Unterhaltsrecht Frauen zur eigenen Absicherung.
Bundesfamilienministerin Schröder verteidigt Ehegattensplitting
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hält am Ehegattensplitting auch für kinderlose Ehen fest. "Der Staat sollte es fördern, wenn zwei Menschen füreinander lebenslang Verantwortung übernehmen", erklärte die Ministerin in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Focus". Auch als kinderlose "Verantwortungsgemeinschaft" habe die Ehe für den Staat einen Wert an sich. Schröder betonte: "Wie sich zwei Ehepartner ihre Familienarbeit aufteilen - da sollte sich der Staat nicht einmischen."
Für das von vielen Parteifreunden geforderte und im CDU-Parteiprogramm verankerte Familiensplitting, bei dem die Zahl der Kinder in die Berechnung der Steuerlast einfließt, äußerte die Ministerin Sympathie: "Die Idee ist gut. Ein Familiensplitting würde allerdings nach vorsichtigen Schätzungen um die zehn Milliarden Euro im Jahr kosten. Das ist im Moment einfach nicht realistisch." Einer Kürzung der staatlichen Leistungen für Familien erteilte Schröder eine Absage. Nach ersten Ergebnissen einer Evaluierung seien insbesondere das Kindergeld und die beitragsfreie Mitversicherung sehr bekannt und akzeptiert.
Laut einer Umfrage für ihr Ministerium meinen 45 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Familienförderung solle eher gestärkt als reduziert werden. Die CDU-Politikerin bekräftigte ihre Auffassung, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften steuerlich wie eine Ehe zu behandeln. "Sie stehen füreinander genauso ein wie klassische Ehepaare", so die Ministerin.
Quelle: dts Nachrichtenagentur