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Umsetzung von Corona-Maßnahmen: Polizeirechtler befürchtet "Notstandsregime"

Archivmeldung vom 23.03.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.03.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Staatliche Gewalt ist gute Gewalt? (Symbolbild)
Staatliche Gewalt ist gute Gewalt? (Symbolbild)

Bild: Eigenes Werk /OTT

Der Beschluss der Bundesregierung und der Bundesländer zu Kontaktverbot und Ausgangsbeschränkungen in der Corona-Krise lässt Fragen zur polizeilichen Umsetzung der Maßnahmen aufkommen. "Ausweiskontrollen bedürfen einer rechtlichen Grundlage", sagte der Polizeirechtler Clemens Arzt von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin dem Nachrichtenportal T-Online.

Es müsse ein "plausibler Anfangsverdacht mindestens einer Ordnungswidrigkeit vorliegen. Das gilt auch im Falle des Infektionsschutzgesetzes", so der Polizeirechtler weiter.  Im Ernstfall drohten Platzverweise, Ordnungswidrigkeitsanzeigen oder sogar Unterbindungsgewahrsam. Angesichts "des in wenigen Tagen eingeführten Notstandsregimes" fehlten klare Rechtsgrundlagen und entsprechende Schulungen. Darum werde es mit Sicherheit zu mutmaßlichen Gesetzesverstößen seitens der Polizei kommen.

"Wenn `zwingende Notwendigkeiten` zu Eilgesetzgebung und Wildwuchs im Verordnungswege führen und damit zu Verboten und polizeilichen Maßnahmen, geraten Bürgerrechte schnell in Gefahr", sagte Arzt. Gelassener beurteilte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Sebastian Fiedler, die Umsetzung der Maßnahmen. "Die Bewegungsfreiheit von Einzelnen soll nicht eingeschränkt werden", sagte Fiedler dem Nachrichtenportal. Es gehe beim Kontaktverbot "vor allem um unzweifelhafte Gruppenbildungen, nicht um überflüssige Kontrollen von Einzelpersonen oder Familien". Es müsse nun bei diesen "klaren, simplen Regeln bleiben", um "überbordende, unnütze Kontrollen" auszuschließen, so der BDK-Chef weiter.

Er räumte aber ein: Tatsächlich sei "Fingerspitzengefühl der Beamten gefragt".  Ähnlich sieht es Rafael Behr, der an der Akademie der Polizei in Hamburg lehrt: Die Verhältnismäßigkeit müsse gewahrt bleiben, Einzelpersonen seien "polizeilich nicht relevant". "Es herrscht keine Residenzpflicht, die Bewegungsfreiheit wird nicht verunmöglicht. Menschen dürfen Stadt und Bundesland weiterhin verlassen", sagte Behr dem Nachrichtenportal T-Online. Aber: Sollten Menschen beginnen, die Verbote zu umgehen, würden sie "als Störer angesehen", so der Polizeirechtler weiter. "Die Corona-Krise könnte von einer gesundheitspolitischen Krise zunehmend zu einer ordnungspolitischen Krise werden", sagte Behr.

Quelle: dts Nachrichtenagentur


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