Katja Kipping: Im Schlafzimmer hat der Staat nichts zu suchen
Archivmeldung vom 03.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittZu dem heute im Kabinett behandelten Entwurf des SGB II-Optimierungsgesetzes erklärt Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE.: Die vom Kabinett verabschiedeten Verschärfungen von Hartz IV sind ein Skandal.
Im Zentrum des so genannten Optimierungsgesetzes steht die
Verschärfung von Repression und Überwachung. Die örtlichen Träger
der Grundsicherung werden verpflichtet, einen Außendienst
einzurichten, um Wohnung und Lebensverhältnisse von Erwerbslosen zu
überprüfen. Damit wird die Zahl der Sozialspitzel, die den
Erwerbslosen bis in die Schlafzimmer hinterher schnüffeln sollen,
deutlich erhöht. Im Schlafzimmer hat der Staat jedoch nicht zu
suchen.
Anstatt Erwerbslose mit solchen Stigmatisierungskampagnen weiter
zu beleidigen, sollte die Bundesregierung lieber dafür sorgen, dass
die Agenturen den bei Erwerbslosen vorhandenen Beratungsbedarf
überhaupt decken können. Schließlich häufen sich die Fälle, in denen
Erwerbslose monatelang auf ein Beratungsgespräch warten müssen. Zur
Qualifizierung der Beratung von Erwerbslosen gehört das Recht auf
unabhängige Beratung u.a. durch Betroffeneninitiativen - wie es DIE
LINKE. fordert.
Wenn Einsparungen im Haushalt notwendig sind, ist bei der
Bekämpfung von Steuerbetrug und Wirtschaftskriminalität mehr zu holen
als bei Menschen, die von 345 Euro und weniger im Monat leben müssen.
Doch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden Erwerbslose zum
Einsparpotential degradiert. So gilt beispielsweise in Zukunft als
Bedarfsgemeinschaft, wer ein Jahr und länger zusammen lebt. Damit
wird jede Wohngemeinschaft von Studierenden zur Bedarfsgemeinschaft.
Diese staatlich verordnete gegenseitige finanzielle Inhaftnahme von
Menschen, die zusammen leben, passt nicht ins 21. Jahrhundert.
Mit dem so genannten Optimierungsgesetz wird die Dosis eines sich
bereits als schädlich erwiesenen Mittels noch einmal erhöht. Nötig
wäre stattdessen über einen Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik
nachzudenken. Dazu hat DIE LINKE. mit ihrem Antrag zur Überwindung
von Hartz IV entsprechende Vorschläge unterbreitet: Statt Erwerbslose
in fragwürdige Sofortmaßnahmen zu pressen, wäre ein Ausbau der
öffentlichen Beschäftigung angesagt. Statt Menschen, die zusammen
leben, unter den Generalverdacht einer Bedarfsgemeinschaft zu
stellen, muss soziale Sicherheit konsequent vom Individuum aus
gedacht werden. Statt Erwerbslose und deren Kinder mit dem
Arbeitslosengeld II in Armut und Ausgrenzung zu treiben, bedarf es
einer individuellen sozialen Grundsicherung, die ein Leben jenseits
der Armut und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.
Die Konzeptlosigkeit der Regierung bei der Bekämpfung der
Massenarbeitslosigkeit darf nicht durch Druck und Repressionen
gegenüber den Betroffenen kompensiert und verschleiert werden.
Quelle: Pressemitteilung DIE LINKE.