Der Irak bekommt eine Verfassung
Archivmeldung vom 21.10.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMdB Wolfgang Gehrcke, außenpolitischer Sprecher der Linkspartei.PDS, zum irakischen Verfassungsreferendum: Der Text der irakischen Verfassung, über den nun in einem Referendum abgestimmt wurde, erweckt in vielen Bereichen Sympathie: Gewaltenteilung, Grundrechte, Frauenrechte, föderative Elemente einschließlich einer Stärkung der Rechte der Kurden. Aber was ist diese Verfassung wert?
Dass das Referendum nur unter Mobilisierung aller militärischen
Kräfte der Besatzungstruppen möglich war, verweist darauf, dass der
Verfassungstext mit der Realität des Landes wenig zu tun hat.
Der Irak befindet sich an der Schwelle eines offenen
Bürgerkrieges; täglich findet Krieg statt, auf den Straßen und
Plätzen. Krieg heißt immer Not, Elend, Vernichtung und Tod. Im Irak
starben direkt am Krieg bisher über 27.000 Bürgerinnen und Bürger des
Landes und mehr als 2.000 US-Soldaten. De jure hat die "gewählte"
Regierung - es fällt schon schwer, den Begriff "Wahlen" zu verwenden
- die formale Gewalt inne. Die tatsächliche Gewalt liegt bei der
Besatzungsmacht USA einerseits und einer Vielzahl konkurrierender
Gruppen des vermeintlichen Widerstandes. Unter solchen Bedingungen
ist ein verfassungsgebender Prozess, der mehr und etwas anderes sein
müsste als eine Demonstration für das Ausland, ausgeschlossen und in
sich möglicherweise wertlos.
Der Verdacht, dass der irakische Verfassungsentwurf von außen
geplant und in Szene gesetzt wurde, wird auch durch die
augenscheinliche Parallelität der Inhalte und des Vorgehens in
Afghanistan und im Irak genährt. Bis aufs Komma geht es um
vergleichbare Inhalte, vergleichbare Entstehungsweisen, vergleichbare
Widersprüche.
Der Irak bekommt eine Verfassung; gegeben hat er sich keine. Wie
auch immer die Abstimmung ausgefallen ist. Und zu fragen ist, ob die
Besatzung des Irak Vorbedingung für eine Demokratisierung oder
Haupthindernis auf diesem Wege ist.
Quelle: Pressemitteilung DIE LINKE