Tarifeinheitsgesetz: Bundesregierung mauschelt sich durchs Parlament
Archivmeldung vom 27.11.2018
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Freigeschaltet durch André Ott"Das ist schlechtes Regieren in Reinform." Mit deutlichen Worten kritisiert dbb Chef Ulrich Silberbach das Vorgehen der Bundesregierung, vom Bundesverfassungsgericht geforderte Änderungen am umstrittenen Tarifeinheitsgesetz unbemerkt durch das Gesetzgebungsverfahren zu schleusen. Bis zum 31. Dezember 2018 muss der Gesetzgeber bestehende Mängel in dem von der vorherigen Bundesregierung, wie die amtierende eine große Koalition von Union und SPD, initiierten Tarifeinheitsgesetz (TEG) verbessern.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung zum TEG vom 11. Juli 2017 festgestellt, dass das TEG keine Vorkehrung dafür trifft, die Interessen aller Gewerkschaften ausreichend zu wahren. Dies sei mit der Verfassung nicht vereinbar und müsse korrigiert werden.
"Diese Korrektur nimmt die Bundesregierung unter Federführung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nun kurz vor Ablauf der Frist in Angriff." Quasi in letzter Minute solle die Hausaufgabe aus Karlsruhe "heimlich, still und leise erledigt werden - in einem Verfahren, das einer Geheimdienstoperation schon sehr nahekommt", ärgerte sich Silberbach gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" (Ausgabe vom 27. November 2018). "Unter dem Deckmantel des unverdächtigen Qualifizierungschancengesetzes schleust die Bundesregierung ihre TEG-Änderung in die parlamentarische Beratung ein - als zusätzlichen Artikel dieses vollkommen sachfremden Gesetzes." Das "Omnibus-Verfahren" sei zwar durchaus legislative Praxis, insbesondere bei Artikelgesetzen, so Silberbach. "Doch dieses Vorgehen bei einem bis hinauf in den Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts hinauf höchst umstrittenen Gesetz lässt nur einen Schluss zu: Das ist ein Täuschungsmanöver. Man mauschelt sich durchs Parlament. Hat man Angst vor einer offenen und öffentlichen Diskussion? Findet man die eigene Änderung gar so peinlich, dass man lieber nicht laut darüber sprechen möchte? Das Gesetz war bisher in der Praxis nicht anwendbar und hat viele bis heute vollkommen unbeantwortete Fragen aufgeworfen. Letzteres hat sich durch die unanständige und demokratisch höchst zweifelhafte Aktion von Bundesregierung und Regierungsfraktionen nun noch weiter verschärft. Eine Frage von so hoher Tragweite wie die zwangsweise Herstellung einer Tarifeinheit sollte nicht in einem Anhang zu einem Gesetz beschlossen werden, das mit diesem Gegenstand nicht das Geringste zu tun hat. Und die vorgesehene Mini-Korrektur ist keine Lösung", betonte der dbb Bundesvorsitzende. "Deswegen werden wir uns auch weiterhin massiv gegen das TEG zur Wehr setzen und unseren Weg der gewerkschaftlichen Interessenvertretung unbeirrt fortsetzen", kündigte Silberbach an.
Der dbb hat das TEG von Beginn an kategorisch als Weg in eine "gewerkschaftsfeindliche Zwangstarifeinheit" abgelehnt. "Deutschlands Sozialpartner brauchen nach wie vor keinen Dompteur, sie können auch ohne gesetzliche Zwangstarifeinheit verantwortungsvoll mit ihren Rechten umgehen und für alle tragbare Kompromisse aushandeln", betonte der dbb Chef. Am 18. Dezember 2017 hatte der dbb nach seiner Verfassungsklage in Karlsruhe auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Klage gegen das TEG eingereicht. "Zwar wurde dieses völlig überflüssige Zwangsgesetz in seiner Auswirkung von Karlsruhe schon deutlich beschnitten", führte dbb Chef Ulrich Silberbach aus, "aber das reicht uns noch nicht.", kritisierte Silberbach. "Wir haben von Anfang an gesagt, dass dieses Gesetz in den Papierkorb gehört, und dabei bleiben wir auch."
dbb Tarifchef Volker Geyer ergänzt: "Wir sind es unseren Mitgliedern einfach schuldig, diesen Kampf bis zum Ende auszufechten. Nach wie vor sind gleich drei Gründe maßgeblich: Erstens benachteiligt das Gesetz bestimmte Gewerkschaften und ist somit undemokratisch, zweitens ist es speziell im Bereich des öffentlichen Dienstes noch weniger anwendbar als in der Privatwirtschaft und drittens schließlich löst schon die bloße Existenz dieses Gesetzes vor Ort unter den Beschäftigten und den konkurrierenden Gewerkschaften eine Schere im Kopf aus, die freie gewerkschaftliche Betätigung behindert. Der dbb wird jedenfalls auch in Zukunft selbstbewusst an tarifautonomen Lösungen arbeiten."
Quelle: dbb beamtenbund und tarifunion (ots)