Entwurf Jugendschutzgesetz: VAUNET-Appell für Korrekturen anlässlich Anhörung im Bundestag
Archivmeldung vom 11.01.2021
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Freigeschaltet durch André OttAnlässlich der heute im Bundestag beginnenden Ausschussberatungen zur Novellierung des Jugendschutzgesetzes bekräftigt der VAUNET seine Bedenken an dem Entwurf des Jugendschutzgesetzes. Der Verband appelliert an die Abgeordneten, noch wichtige Korrekturen an dem Gesetzesvorhaben vorzunehmen.
Annette Kümmel, Vorstandsvorsitzende des VAUNET - Verband Privater Medien: "Der Gesetzesentwurf wird den Realitäten der heutigen Onlinewelt nicht ausreichend gerecht und hat u. a. eine erhebliche Ungleichbehandlung von öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanbietern zur Folge, die verfassungsrechtlich und für das duale System problematisch ist. Das Gesetz sollte in dieser Form nicht verabschiedet werden.
Vielmehr bedarf es dringender Korrekturen, um auch weiterhin eine Gleichbehandlung und einen fairen Rahmen für beide Parteien des dualen Rundfunks sicherzustellen und die bestehende Medienkonvergenz zeitgemäß berücksichtigt wird. Dabei sollten bewährte Instrumente des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags der Länder nicht geschwächt, sondern sinnvoll mit den Reglungen des Bundes aufeinander abgestimmt werden."
Konkret sieht der VAUNET Korrekturbedarf beim Jugendschutzgesetz in den folgenden Punkten:
1. Rundfunkähnliche Telemedien sollten vom Anwendungsbereich ausgeschlossen werden
Für die audiovisuellen Medien existieren bereits umfassende und in der Praxis bewährte Jugendschutzregelungen im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder. Er regelt seit 2003 abschließend und bundesweit den Jugendschutz im Rundfunk- und Onlinebereich. Der Gesetzgeber sollte deshalb klarstellen, dass rundfunkähnliche Telemedien im Sinne des Medienstaatsvertrages vollständig vom Anwendungsbereich des Jugendschutzgesetzes ausgenommen sind. Der VAUNET sieht es nicht als zielführend an, dass einzelne Bereiche wie die Alterskennzeichnung nun in die Regulierungsverantwortung des Bundes übergehen sollen. In der Praxis der aktuellen Länderregulierung ist ein modernes System der Selbstverantwortung der Anbieter und der regulierten Selbstregulierung entstanden, das sich hervorragend bewährt hat und einen effektiven Jugendschutz garantiert. Doppelstrukturen für den Bereich der Onlinemedien neben dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und der Aufbau einer neuen Bundesbehörde, der es angesichts der bestehenden und funktionierenden Aufsichtsinstitutionen nicht bedarf, erhöhen das Niveau des Jugendschutzes nicht und widersprechen in ihrer geplanten Ausgestaltung dem Gebot der Staatsferne bei der Rundfunkaufsicht.
2. Altersfreigaben nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sollten verbindlich gelten ("Durchwirkung")
Das Jugendschutzgesetz sollte klarstellen, dass Altersfreigaben, die gesetzeskonform nach den Regelungen und Verfahren des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags für Medieninhalte festgelegt wurden, auch für die Medien im Sinne des Jugendschutzgesetzes ohne weitere Prüf- und Kontrollschritte verbindlich sind (sogenannte "Durchwirkung"). Mit dem aktuellen Entwurf wird dies nicht sichergestellt, da den obersten Landesjugendbehörden ein umfassender Vorbehalt zugestanden wird und sie abweichende Entscheidungen treffen können. Dies führt zu erheblichen Rechtsunsicherheiten bei den Anbietern. Diese wirken umso schwerer, als dass hier eine Ungleichbehandlung mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern besteht: Während Alterseinstufungen durch ARD und ZDF - z. B. von Kinderserien - künftig auf Bildträger direkt durchwirken können, soll dies bei entsprechenden Bewertungen der privaten Rundfunkveranstalter selbst dann nicht gelten, wenn diese zusätzlich einer anerkannten Selbstkontrolleinrichtung vorgelegen haben.
3. Schaffen eines Level-Playing-Fields für alle Anbieter bei der Kennzeichnungspflicht
Sollte entgegen unserer Forderung unter 1. eine Kennzeichnungspflicht eingeführt werden, dann ist abzulehnen, dass die neue Kennzeichnungspflicht mit Altersangaben des Jugendschutzgesetzes nur für "gewinnorientierte" Telemedienanbieter, aber nicht für öffentlich-rechtliche Mediatheken und Videosharing-Dienste gelten soll. Verstärkt wird die Ungleichbehandlung für private nationale Anbieter zudem durch den Umstand, dass die Kennzeichnungspflicht aufgrund des Herkunftslandprinzips der E-Commerce-Richtlinie nicht für Anbieter mit Sitz im europäischen Ausland gilt. Hier sind jedoch viele marktrelevante Anbieter audiovisueller Mediendienste mit hohen Nutzerzahlen in Deutschland ansässig. Der VAUNET setzt sich daher dafür ein, ein Level-Playing-Field zu schaffen, das gewinnorientierte und nicht gewinnorientierte Anbieter unabhängig von ihrem Sitz bei der Kennzeichnungspflicht gleichbehandelt.
4. Keine Vermengung der Verantwortung für Medien- und Kommunikationsinhalte
Nach dem Gesetzesentwurf sollen Medieninhalte als gefährlicher eingestuft werden, wenn Heranwachsende im Umfeld des Filmabrufs auf sogenannte "Kommunikationsrisiken" treffen können. Dem Anbieter wird damit ein Risiko zugerechnet, auf das er keinen unmittelbaren Einfluss hat. Der Filminhalt bleibt derselbe, auch wenn ein Chatroom nur einen Click entfernt ist. Da in eine Altersbewertung eines Medieninhaltes Nutzungs- und Kommunikationsrisiken nicht im Vorfeld einkalkuliert werden können, spricht sich der VAUNET gegen eine Einbeziehung von Kommunikationsrisiken bei Inhalten privater audiovisueller Medienunternehmen aus. Zumindest sollte hierfür nicht eine gemeinsam Alterskennzeichnung gelten, da sonst die Bewertung von Inhalterisiken verwässert würde.
Quelle: VAUNET - Verband Privater Medien (ots)