Gabriel will gleichen wirtschaftsfreundlichen Kurs wie Gerhard Schröder steuern
Archivmeldung vom 16.08.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sieht sich auf dem gleichen Kurs der wirtschaftsfreundlichen Mitte wie ihn der frühere SPD-Chef und Bundeskanzler Gerhard Schröder gesteuert habe. In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" sagte Gabriel, "prinzipiell" unterschieden sich der Kurs von Schröder und seine Linie durch "gar nichts". Es gehe darum, dass Wertschöpfung und wirtschaftlicher Erfolg in Deutschland die Voraussetzung für bessere soziale und ökologische Bedingungen seien.
",Wirtschaftsfreundlich' heißt doch nicht, einfach die Bedingungen der Arbeitnehmer zu verschlechtern. Manchmal heißt es sogar das genaue Gegenteil: Nur wenn Menschen für gute Arbeit auch gut bezahlt werden, sind sie auch bereit, sich für das Unternehmen anzustrengen." Nur wenn man sozial sicher leben könne, werde auch die Marktwirtschaft funktionieren. Deshalb heiße sie ja "soziale Marktwirtschaft". Gabriel verwies darauf, dass es heute eine ganze Reihe ungelöster Aufgaben gebe: "Wo sollen die Fachkräfte herkommen, die wir so dringend brauchen? Wie verhindern wir, dass ständig steigende Energiepreise die Industrie ins Ausland treibt, wo sie nicht mal die Hälfte unserer Stromkosten zahlen? Wie sichern wir die Infrastruktur, die seit Jahren in Deutschland vernachlässigt wird? Wie schaffen wir Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Zeitalter?" Das seien nur einige Fragen, auf die die Sozialdemokraten Antworten geben wollten. Gabriel nannte es "erstaunlich, dass die anderen Parteien diesen Fragen scheinbar aus dem Weg gehen". Dass es Deutschland heute verglichen mit anderen Staaten Europas gut gehe, heiße nicht, dass das morgen immer noch so sein müsse. "Willy Brandt hat es früher schon gewusst: Wer morgen sicher leben will, muss heute für Reformen sorgen." Als konkretes Beispiel für Reformbedarf nannte Gabriel die Tatsache, dass es "eine immer größer werdende Lücke zwischen dem staatlichen Investitionsbedarf und den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln" gebe.
Nach dem Solidarpakt II müssen Löhne und Renten im Osten auf West-Niveau liegen
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat im Zusammenhang mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II im Jahr 2019 nicht nur weitere Hilfe für den Osten garantiert sondern auch den Anspruch unterstrichen, "dass dann auch in Ost und West alles andere gleich sein muss: von der Höhe der Löhne bis zur Höhe der Renten". Das erklärte Gabriel in einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung". "Es kann nicht sein, dass der Solidarpakt II ausläuft, aber die Benachteiligungen im Osten weitergehen. Gleiche Förderung muss dann auch heißen, gleiche Rechte und Chancen. Die Gleichstellung der Verhältnisse sei "eine Frage der Gerechtigkeit". Noch immer gebe es unübersehbare Benachteiligungen und Strukturschwächen, trotz sehr vieler Fortschritte. Und wenn 2019 der Solidarpakt II ausliefe, "dann werden viele Regionen in Ostdeutschland trotzdem noch Hilfe und Förderung brauchen". Den Spitzenkandidaten der sächsischen SPD, Martin Dulig, lobte Gabriel als "einen typischen Sachsen". Dessen ganz großer Vorteil sei, "er hat überhaupt keine Angst mit Menschen in Kontakt zu treten und zuzuhören und weiß gleichzeitig sehr genau, was er will". Für ihn selbst, so Gabriel, sei Ostdeutschland "zu allererst die Heimat eines Teils meiner Familie, in die ich hinein geheiratet habe". Die letzten Wochen sei Ostdeutschland "für mich vor allem, dass wir dort unseren Sommerurlaub verbracht haben und jetzt an den Wochenenden mit unserer kleinen Tochter meine Schwiegereltern in der Familiendatsche belagern". Natürlich ändere sich der Blick auf Ostdeutschland, wenn die eigene Familie dort herkomme, man selbst dort ein paar Jahre gewohnt und Freunde und Verwandte dort habe.
Gabriel regt steuerliche Anreize für Versicherungen und Pensionsfonds an, um Infrastruktur-Milliarden zu mobilisieren
Angesichts der großen Finanzierungslücke bei den notwendigen Maßnahmen zum Erhalt und Ausbau der Infrastruktur muss der Staat, nach Ansicht von Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, kapitulieren. Er plant deshalb, mit attraktiven Investitionsangeboten die kapitalkräftigen Versicherungen und Pensionsfonds als Investoren zu gewinnen. Das kündigte Gabriel gegenüber der in Potsdam erscheinenden Märkischen Allgemeinen (Sonnabend-Ausgabe) an. "Die Infrastrukturlücke ist in den letzten Jahren so groß geworden, dass wir sie mit Sicherheit nicht mehr durch ein staatliches Finanzierungsprogramm werden schließen können", sagte Gabriel. "Im Gegenteil. Die Infrastruktur wird immer mehr auf Verschleiß gefahren." Damit geriete der wirtschaftspolitische Erfolg der Bundesrepublik in Gefahr. Gabriels Schlussfolgerung: "Wir müssen dringend über neue Modelle reden, wie wir privates Kapital mobilisieren können, um die öffentliche Infrastruktur zu verbessern." Die bekannten Public-Private-Partnership-Programme würden dabei nicht weiterhelfen. "Ich kann mir unter anderem gut vorstellen, dass wir Lebensversicherungskonzernen attraktive Angebote machen, sich an der Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur zu beteiligen", kündigte Gabriel innovative neue Finanzierungsüberlegungen an. Diese Konzerne suchten angesichts des niedrigen Zinsniveaus Anlagemöglichkeiten. "Für Pensionsfonds kann das ebenfalls interessant sein", zeigte sich Gabriel überzeugt.
Quelle: Leipziger Volkszeitung (ots)