Sozialstaat gibt Geld falsch aus - Schluss mit Kindergelderhöhungen
Archivmeldung vom 08.11.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDer frühere SPD-Chef Matthias Platzeck hat seine Partei aufgefordert, sich von ihrem alten Sozialstaat-Modell zu verabschieden. Es fließe "sehr viel Geld in unseren Sozialstaat, wir geben es nur falsch aus", sagte der Brandenburger Ministerpräsident in einem Interview mit dem Hamburger Magazin stern. "Wer den Sozialstaat wirklich erhalten will, darf über seine erkennbaren Defizite nicht schweigen."
Die Politik habe sich in den letzten 20 Jahren zu stark auf das
Reparieren konzentriert, kritisierte Platzeck. Immer wenn etwas nicht
funktioniert hätte, habe man versucht "mit Geld für Ruhe im Karton zu
sorgen". Auf der anderen Seite sei zu wenig getan worden, "um allen
Menschen Lebenschancen zu geben". Wenn etwa zehn Prozent der
Schulabgänger ohne Abschluss blieben, dann sei das ein "Debakel für
die Gesellschaft und volkswirtschaftliche Selbstverstümmelung".
Seine Partei habe sich zu lange damit abgefunden, "Arbeitslosigkeit in Teilen nur zu verwalten", rügte Platzeck. "Viele hatten wahrscheinlich im Hinterkopf: Das ist nur ein vorübergehendes Problem, das hört bald wieder auf." Die SPD habe die neue Qualität der Probleme "in der Schärfe so nicht erkannt". Der SPD-Politiker forderte nun "umzudenken und umzusteuern". Künftig müsse es im Sozialstaat "mehr Elemente der Vorsorge geben". Als Beispiel nannte Platzeck das Kindergeld. Bisher habe es alle zwei, drei Jahre Erhöhungen gegeben. "Zu einem solchen Automatismus sage ich klipp und klar: Schluss damit." Zusätzliches Geld müsse in Zukunft verwendet werden, um die Qualität der Kinderbetreuung zu erhöhen.
Platzeck hatte nach einem Hörsturz im April sein Amt als SPD-Chef
nach nur 147 Tagen aufgegeben. Dazu sagte er im stern: "Ich bin
traurig, dass ich nicht Vorsitzender bleiben konnte." Über seinen
Gesundheitszustand sagte er: "Ich fühle mich fit." Er mache auch
wieder regelmäßig Sport, was ihm sehr helfe: "Ich muss mich auch mal
richtig austoben. Ich spiele gern Badminton, bis der Schläger kaputt
ist." Zwar fiepe es noch in beiden Ohren, "aber damit kann man
leben". Anfangs habe ihn das Pfeifen wahnsinnig gemacht, aber jetzt
habe er sich damit abgefunden. Die wenig wirksamen Medikamente gegen
Tinnitus habe er nach Absprache mit seinem Arzt abgesetzt. Lieber
trinke er abends "zwei Gläser guten Rotwein".
Quelle: Pressemitteilung stern