Steinmeier: Ohne-mich-Haltung ist keine mögliche Haltung in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik mehr
Archivmeldung vom 12.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFrank-Walter Steinmeier (SPD), Bundesaußenminister, heute im neuen n-tv-Talk 'Heiner Bremer - Unter den Linden 1' zur atomaren Bedrohung in der Welt:
"Der Atomwaffentest in Nordkorea bedeutet im Zusammenhang mit dem
noch nicht gelösten Konflikt mit dem Iran eine weitere Erosion des
Nichtverbreitungsvertrages und das ist jenseits der beiden regionalen
Konflikte mit weltweiter Bedrohung das, was über die beiden Länder
hinaus und davon ausgehendem Ehrgeiz zu einer nuklearen Bewaffnung
weiterhin bedrohlich ist.
Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass uns in beiden Fällen eine
Lösung des Konfliktes gelingt. Aber es ist schwieriger geworden.
Eines unserer Argumente sowohl beim Thema Iran als auch beim Thema
Nordkorea war immer, dass für den Fall, dass nukleare Bewaffnung von
der internationalen Staatengemeinschaft zugelassen wird, dies ein
nukleares Wettrüsten in der jeweiligen Region auslösen wird. Das ist
eine Entwicklung, die wir verhindern müssen."
Zur Frage nach einer Unterscheidung zwischen guten und bösen
Atommächten
"Das ist ein Vorwurf, der uns ja gegenwärtig aus der arabischen
Welt entgegenschallt: Dass wir angeblich bei einigen zulassen, dass
atomare Bewaffnung außerhalb des Nichtverbreitungsvertrags geschieht,
bei anderen darauf beharren, dass sie nicht geschieht. Wir sind
natürlich nicht in der Situation, Geschichte rückabwickeln zu können:
Pakistan hat die Bombe, Indien hat sich außerhalb des
Nichtverbreitungsvertrages nuklear bewaffnet. Insofern sind wir dort
in einer anderen Situation. Im Fall Indien wird überlegt, mit welchen
Mitteln wir ein jetzt nuklear bewaffnetes Indien auf den Weg zur
Beachtung der wesentlichen Grundsätze des Nichtverbreitungsregimes
zurückführen können."
Zur Grenze der Kritik Deutschlands an der russischen Politik und
zur Energiepolitik
"Es gibt in der Bundesregierung keine Position, die vorschlägt,
wir sollten wirtschaftliche Beziehungen zu Russland entfalten, ohne
unseren Blick auf die Situation von Demokratie und Menschenrechten zu
richten und es gibt umgekehrt keine Position, die nur auf Demokratie
und Menschenrechte schauen will und kein Interesse an der Entfaltung
von wirtschaftlichen Beziehungen hat. Dieses vorweg gesagt, müssen
wir so manche personelle Zuspitzung etwas zurücknehmen.
Erstens haben wir überhaupt keinen Anlass wegzuschauen und so wie
heute mit Putin über den Mord an der Journalistin diskutier worden
ist, ist in den vergangenen Jahren auch über Tschetschenien
diskutiert worden. Zweitens haben wir es nicht mit einem Partner zu
tun, der uns in der Drohung gegenübersteht, uns morgen das Gas
abzuschalten. Das was stört ist, dass wir als rohstoffarmes Land im
Bezug auf fast alle Rohstoffe in einer Situation sind, auf Dritte
angewiesen zu sein.
Bei den Verhandlungen Europas mit Russland für das neue
Partnerschafts- und Kooperationsabkommen haben wir Anlass zu
Selbstbewusstsein und wir sollten nicht so defensiv verhalten, als
seien wir unter der Knute eines mächtigen Energiegiganten, der uns
keine Luft zum Atmen lässt. Das ist nicht die Realität unserer
Beziehungen."
Zu außen- und sicherheitspolitischen Optionen Deutschlands
"Wir sind nicht mehr in der Situation, dass die Ohne-mich-Haltung eine mögliche deutsche Haltung in der Außen- und Sicherheitspolitik bleibt. Denn sie konnte nur dadurch aufrechterhalten werden, dass wir nie in Anspruch genommen wurden. Man erwartet von uns heute nicht nur die Beteiligung bei der Analyse von Konflikten, sondern auch bei der Lösung von Konflikten."
Quelle: Pressemitteilung n-tv