Verfassungsrichter: Waffenlieferung eventuell Fall für Karlsruhe
Archivmeldung vom 01.09.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, schließt eine Befassung Karlsruhes mit der geplanten Lieferung von Waffen an die Kurden im Nordirak nicht aus. Auf die Frage, ob der Bundestag dem zustimmen müsse, sagte Kirchhof der "Welt am Sonntag": "Das ist tatsächlich eine interessante Frage, die meine Kollegen im Zweiten Senat aber möglicherweise einmal beschäftigen könnte. Deshalb möchte ich mich mit einer persönlichen Einschätzung zurückhalten."
Der Bundestag wird am Montag in einer Sondersitzung über die Waffenlieferungen beraten. Abgestimmt wird aber lediglich über einen Entschließungsantrag, der keine bindende Wirkung für die Regierung hat. Vertreter der Opposition halten ein förmliches Mandat des Parlamentes für notwendig. In der Debatte um Geheimdienste vertrat Kirchhof die Auffassung, dass die Grundrechte keinen ausreichenden Schutz vor ausländischer Spionage bieten.
"Die Grundrechte unserer Verfassung sind im Ausgangspunkt als subjektive Abwehrrechte des einzelnen Bürgers gegen die eigene Hoheitsgewalt angelegt", sagte Kirchhof. "Dieses subjektive Schutzkonzept hilft wenig bei ausländischer Spionage, die transnational, meist unbemerkt und flächendeckend geschieht."
Kirchhof plädierte deshalb für "objektive Rechtsregeln auf internationaler Ebene, um die Bürger wirksam zu schützen". Es sei eine politische Aufgabe der Bundesregierung, sich für solche Regeln einzusetzen. Er halte es für einen Konsens, "dass der Rechtsschutz in diesem Bereich weiterentwickelt werden muss". Welche konkreten Abwehrmaßnahmen zu ergreifen seien, liege allerdings im Entscheidungsspielraum der Bundesregierung.
Weiter verteidigte Kirchhof die in die Kritik geratene Arbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND). "Dass ein Staat für seine Entscheidungen Informationen braucht, auch aus und über andere Staaten, stellt weltweit gängige Praxis dar", sagte der Verfassungsrichter der Zeitung: "Die Tätigkeit von Nachrichtendiensten ist im Grundgesetz angelegt." Es gebe auch gesetzliche Grundlagen, an die sich der BND halten müsse. Ob diese Gesetze reformbedürftig seien, sei in erster Linie eine politische Frage.
Unbehagen in Unionsfraktion wegen Rüstungsexportpolitik von Gabriel
Die restriktive Rüstungsexportpolitik von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) löst in der Unionsfraktion Unbehagen aus. Die CDU-Politiker Elisabeth Motschmann und Mark Hauptmann fürchten, dass die strengere Genehmigungspraxis der "deutschen Wehrfähigkeit" schaden könnte, weil nationales Know-how verloren gehe. "Gabriel beschreitet einen fatalen Irrweg", schreiben sie in einem Papier, das dem Nachrichtenmagazin "Focus" vorliegt. "Waffenlieferungen an von Völkermord bedrohte Minderheiten wie Christen und Jesiden wie aktuell im Irak wären dann nicht mehr möglich."
Für die Rüstungslieferungen an die kurdische Regionalregierung trägt das Verteidigungsministerium die Kosten. Weil es teilweise ausrangiertes Material liefert, fallen diese niedrig aus. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte im Verteidigungsausschuss, dass kein zusätzliches Geld ausgegeben werde. Falls doch, so SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold, müsse es aus dem allgemeinen Haushalt finanziert werden.
Komplikationen bei Waffenlieferungen an Kurden
Die Bundesregierung stößt laut eines "Spiegel"-Berichts auf unvermutete Schwierigkeiten, den Kurden im Nordirak die zugesagten Waffen und Schutzausrüstung zu liefern. Nach dem Außenwirtschafts- und dem Kriegswaffenkontrollgesetz muss der Wirtschaftsminister die Lieferung genehmigen. Sigmar Gabriel (SPD) benötigt dafür jedoch eine schriftliche Erklärung aus Bagdad. Dort hat die neue Regierung ihre Arbeit aber noch nicht aufgenommen.
Gabriel hatte bei einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel, Verteidigungsministerin von der Leyen (beide CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) diplomatische Hilfe bei der Lösung des Problems erbeten. Nun brütet die Bundesregierung nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt über einer rechtlich einwandfreien Lösung. Die könnte nach Einschätzung von SPD-Sicherheitsexperten beinhalten, dass die deutschen Transportflugzeuge zunächst in Bagdad zwischenlanden müssen und erst dann nach Arbil weiterfliegen, um das Material zu entladen.
Deutschland liefert Panzerabwehrwaffen an Kurden
Die Bundesrepublik Deutschland wird Waffen an die kurdischen Milizen im Nordirak liefern. Die Lieferung soll 16.000 Sturmgewehre sowie Panzerabwehrwaffen, Gewehre, Pistolen und Munition umfassen, beschloss das Kabinett am Abend in Berlin. Die Waffen sollen die Kurden im Kampf gegen die radikal-sunnitischen Milizen des "Islamischen Staates" (IS) unterstützen. Damit leitet die Bundesregierung einen Kurswechsel in der Außenpolitik ein, bislang waren Waffenlieferungen in Spannungsgebiete streng reglementiert. Bis heute hatte Deutschland lediglich humanitäre Hilfe an die Kurden geliefert.
Quelle: dts Nachrichtenagentur