Merkel erteilt Abbau der kalten Progression vorerst Absage
Archivmeldung vom 08.05.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat einem Abbau der kalten Progression bei der Steuer vorerst eine Absage erteilt. "Wenn sich finanzielle Spielräume ergeben, wird die Koalition über einen Abbau der kalten Progression reden, aber auf absehbare Zeit sehe ich diese Spielräume nicht", sagte Merkel der "Rheinischen Post" (Freitagausgabe).
Die Kanzlerin betonte: "Wir haben uns entschieden, zuerst darauf hin zu arbeiten, keine neuen Schulden zu machen. Das schaffen wir 2015 zum ersten Mal seit Jahrzehnten - für jeden Bürger ist das eine gute Nachricht."
Chemiegewerkschaft dringt auf sofortigen Abbau der kalten Progression
Die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) dringt angesichts steigender Steuereinnahmen auf ein Sofortprogramm zur Entlastung der Arbeitnehmer von der sogenannten kalten Steuerprogression. Er habe kein Verständnis für die skeptischen Reaktionen aus Union und SPD auf entsprechende Entlastungsvorschläge, sagte der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstagausgabe). "Die vielen hinhaltenden Äußerungen der Großen Koalition zu diesem Problem sind respektlos gegenüber den übermäßig belasteten Arbeitnehmern", sagte er mit Blick auf die für diesen Donnerstag erwarteten Ergebnisse der neuen Steuerschätzung.
Der Vorsitzende der zweitgrößten deutschen Industriegewerkschaft wandte sich zugleich strikt dagegen, einen Abbau schleichender Steuermehrbelastungen für Arbeitnehmer mit einer Anhebung des Spitzensteuersatzes zu verknüpfen. "Die gute Wirtschaftsentwicklung führt zu neuen Spielräumen im Haushalt", sagte Vassiliadis der Zeitung. "Es ist höchste Zeit, dass davon auch die eigentlichen Leistungsträger unserer Gesellschaft profitieren, also die schwer arbeitenden Beschäftigten, die sonst unentwegt zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden."
Der Begriff "kalte Progression" benennt eine steigende Steuerlast, die aus der Geldentwertung resultiert: Wegen der Steuerprogression führen Lohnerhöhungen selbst dann zu einer höheren Steuerlast, wenn sie nur die Teuerung ausgleichen. An diesem Donnerstag will der Arbeitskreis Steuerschätzung seine neuen Schätzergebnisse vorlegen. Erwartet wird, dass die Steuereinnahmen in den nächsten Jahren angesichts der günstigen Konjunkturlage noch etwas höher ausfallen werden, als im Herbst vorausgesagt.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel war zwar jüngst davon abgerückt, einen höheren Spitzensteuersatz zur Bedingung für einen Abbau der kalten Progression zu machen. Andere SPD-Politiker hatten jedoch bekräftigt, dass Entlastungen für Arbeitnehmer "nicht auf Kosten notwendiger Investitionen" gehen dürften. Auch die Union hatte sehr zurückhaltend reagiert.
Der IG-BCE-Vorsitzende zeigte sich darüber irritiert: Solche Äußerungen wirkten auf ihn "wie Stereotype, die auf eine mangelnde Sensibilität gegenüber den Sorgen und Erwartungen" von Arbeitnehmern hindeuteten. Vassiliadis sprach sich für ein beherztes Vorgehen gegen die kalte Progression aus. Das Problem dürfe nicht nur kurzfristig durch eine einmalige Steueränderung entschärft werden. "Wir brauchen den rollenden Tarif", sagte er. Damit würden die Schwellenwerte des Steuertarifs jährlich automatisch parallel der Inflationsrate angepasst.
Der Gewerkschaftsvorsitzende ordnete das geforderte Sofortprogramm als ersten Schritt zu einem grundlegenderen Kurswechsel ein, der nach Auffassung der IG BCE notwendig sei. "Im Sozial- und Steuerstaat hat sich im Laufe der Jahre vieles zulasten der Mittelschicht verschoben", sagte er. Dies müsse korrigiert werden.
Quelle: dts Nachrichtenagentur