Mitarbeiter warfen Scheuer in Maut-Affäre Irreführung vor
Archivmeldung vom 12.02.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.02.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttIm Streit um die Maut-Affäre ist es zuletzt auch im eigenen Ministerium einsam um Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geworden. Scheuer habe nicht nur Druck von außen, sondern auch Widerspruch aus dem eigenen Haus bekommen, berichten "Süddeutsche Zeitung", WDR und NDR unter Berufung auf eigene Informationen.
In der politisch brisanten Auseinandersetzung mit dem Bundesrechnungshof habe sich das zuständige Referat geweigert, ein Protestschreiben an die Prüfer zu unterzeichnen. Ausgerechnet im für das Controlling zuständigen Bereich des Ministeriums hätten sich Mitarbeiter übergangen gefühlt und hätten Scheuer vorgeworfen, Behörde und Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Auslöser des internen Zwists war ein damals als geheim eingestufter Bericht des Rechnungshofs von Ende Oktober, der Scheuer schwere Rechtsverstöße vorwarf. So soll sein Ministerium bei den Maut-Vorbereitungen Vergaberecht verletzt und gegen Haushaltsrecht verstoßen haben.
Das Ministerium ließ postwendend eine scharfe Reaktion erarbeiten, die dem Rechnungshof schlechte Arbeit und "fehlerhafte Schlussfolgerungen" unterstellte und alle Vorwürfe brüsk zurückwies. Doch vertrauliche Dokumente zeigten, wie umstritten diese aggressive Gegenwehr intern gewesen sei: Ausgerechnet jenes Referat, das im Ministerium als Kontaktstelle zum Rechnungshof fungiert, habe Widerstand geleistet und vor Fehlern gewarnt, berichtet die Zeitung weiter. In dem Protest-Papier vom 31. Oktober behauptete das Ministerium: Der Rechnungshof prüfe die Maut ja schon seit 2014, habe die Prüfung aber Anfang 2019 ohne Bericht beendet. Die Botschaft: die Behörde habe selbst über Jahre nichts Kritisches gefunden und die Prüfung eingestellt.
Doch eine Mitarbeiterin habe es abgelehnt, die geharnischte Antwort an den Rechnungshof zu unterzeichnen. Dann "würde ich mir den Inhalt zu eigen machen", heißt es in einer E-Mail vom 31. Oktober an einen Vorgesetzten, über welche die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. "Das kann ich nicht", heißt es in der E-Mail weiter. Es gebe da aus ihrer Sicht auch einen sachlichen Fehler.
Der Rechnungshof habe die alte Prüfung ja nicht etwa im Sinne "es ist alles gut" abgeschlossen. "Er führte die Prüfung nur unter einem neuen Aktenzeichen weiter", heißt es in der E-Mail. Alle Zweifel, dass die Aussage zur Beendigung der Prüfung nicht stimmen könne, habe der Minister bei einem Treffen gar nicht an sich herangelassen, heißt es am 1. November in einer weiteren erbosten E-Mail einer anderen Mitarbeiterin, über welche die Zeitung berichtet. Ihm sei es lediglich darum gegangen, dem Rechnungshof "pressewirksam" etwas entgegenzusetzen.
"Es ist nicht schön, wenn wir als Fachebene für die allgemein politischen Auseinandersetzungen benutzt werden und Aussagen tätigen sollen, die definitiv nicht stimmen", schreibt die Mitarbeiterin in einer weiteren Notiz. Besonders pikant: Die umstrittene Passage ist nach wie vor die offizielle Linie des Ministers. Auf der Webseite beruft sich das Ministerium wortgleich weiter auf den Passus - entgegen der Zweifel im eigenen Haus. Unter Mitarbeitern machte sich Resignation über das Verhalten der Hausspitze breit: "Was wir zu sagen haben, will dort eigentlich keiner hören - so war es jedenfalls am Mittwoch", schrieb eine Mitarbeiterin über ein Treffen. In Regierungsakten werde der interne Protest unter einem seltenen Stichwort geführt: "Remonstration".
Der Begriff bezeichnet den Widerstand gegen die Weisung eines Vorgesetzten. In der Opposition sorgt das Vorgehen für Empörung: Der Linken-Bundestagsabgeordnete Jörg Cezanne kritisierte den "mehr als nur schlechten Stil. Minister Scheuer hat den Bundesrechnungshof wider besseren Wissens diskreditiert." "Es scheint als hätte das Ignorieren von Warnungen im BMVI bei der Pkw-Maut System", sagte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Oliver Luksic, der "Süddeutschen Zeitung" auf Anfrage. Dass der Abteilungsleiter im Ministerium gegen die ausdrückliche Empfehlung seiner Mitarbeiter den von der Führung geforderten Brief dennoch unterschrieben habe, sei "haarsträubend", so der FDP-Politiker weiter. Das Verkehrsministerium wollte sich nicht zu den Vorgängen äußern: "Aus Respekt vor der Arbeit des Untersuchungsausschusses" könne man "zu Einzelheiten der Untersuchungsgegens tände keine Stellung nehmen", erklärte ein Sprecher.
Quelle: dts Nachrichtenagentur