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Der Stratege des Kalten Krieges ist tot

Archivmeldung vom 18.03.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.03.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Michael Dahlke

George Kennan war nicht nur der einzige Diplomat und Wissenschaftler, der im aktiven Dienst den Beginn und das Ende des Kalten Krieges erlebte.

Er war überhaupt der einzige Mensch, der zu Recht von sich sagen konnte, dass dieser vier Jahrzehnte währende Friede auf dem Pulverfass im Wesentlichen sein Werk war - wie indirekt auch das Ergebnis, der Untergang von Stalins ehemaligem Imperium.

Kennan, der Autor des "Langen Telegramms" aus Moskau nach Washington (1946) und des anonym gezeichneten Artikels in der Zeitschrift "Foreign Affairs", der für eine Politik des "Containment" eintrat (1947), ist 101-jährig am Donnerstag in Princeton (New York) gestorben.

Schrecklich missverstanden George Kennan wäre allerdings nicht auf die Idee gekommen, den Kredit des "Architekten des Kalten Krieges" aufzunehmen, den andere ihm einräumten. Er fühlte sich in schrecklicher Weise missverstanden.

Als Vize in der Moskauer US-Boschaft hatte er jenes Telegramm verfasst, das als längstes der Geschichte gilt: In rund 8000 Worten charakterisierte er darin die Sowjetführung als "fanatisch entschlossen" und "unempfänglich für logische Vernunftsgründe". Wohl aber verstünden die Sowjets "die Logik der Stärke".

Kennan lag es fern, einen Keil zwischen die wichtigsten Alliierten des Zweiten Weltkrieges zu treiben. Er verstand sich als Warner vor sowjetischer Doppelzüngigkeit und postzaristischer Machtpolitik, die den USA immer weitergehende Zugeständnisse an den Waffenbruder abrang, ohne dass diesen Garantien gegenüber gestanden hätten. Das Unbehagen in den USA war deshalb ohnehin groß. Der amerikanische Antikommunismus - schon während des Krieges hatte er angesichts der Koalition mit Moskau an Schärfe gewonnen - wuchs sich proportional zum Einflussbereich der Sowjets in Europa zur mehr und mehr aggressiven Ideologie aus.

Wildwuchs der Ressentiments Kennans Analyse sollte dies nicht fördern, sondern dem Wildwuchs der Ressentiments eine rationale Strategie entgegensetzen. Ein Jahr nach dem "Long Telegram" schrieb Kennan daher den "X" gezeichneten Artikel in "Foreign Affairs", indem er für eine Politik des "Containment" eintrat, um "den Russen mit unbeugsamem Widerstand an jedem Punkt zu begegnen, an dem sie Anzeichen zeigen, gegen die Interessen einer friedlichen und stabilen Welt zu verstoßen".

Kennan bekam die Gelegenheit, an der praktischen Umsetzung seiner Strategie selbst mitzuwirken. So war er einer der Schöpfer des Marshall-Plans, und dazu saß er im Büro neben dem des namengebenden Außenministers. Der Marshallplan entsprach der Idee des Containment, wie er sie sich gedacht hatte: Eine Maßnahme des friedlichen Wettbewerbs, der die Sowjetunion auf ihrem eigenen Feld schlug - als ökonomischer Segen, der ganz Westeuropa unempfindlich gegen die Weltbeglückungsideologie des Kommunismus machte.

Kennan missbilligte die Gründung der Nato als "universalistischen" Ansatz zur Lösung des Ost-West-Konflikts. Als ein Diplomat, der Hitlers Aufstieg und - zunächst international geduldete - Expansionspolitik, den Kriegsbeginn und den Krieg sehr unmittelbar verfolgt hatte, lehnte er militärische Lösungen nicht rundheraus ab. Er bevorzugte jedoch das "individuelle Herangehen" an Konflikte.

"Erdrutsch" ausgelöst "Ich komme mir vor wie jemand, der einen kleinen Stein von einer Klippe getreten hat und nun hilflos dem Erdrutsch zusehen muss, den das auslöste", stellte er schon bald fest. Erbittert reagierte er auch darauf, dass die USA die Wasserstoffbombe entwickelten und damit in einen Rüstungswettlauf einstiegen, in dem Kennan eine große Gefahr sah.

Als er, inzwischen als Topstratege des Außenministeriums geschasst und Botschafter in Moskau, die Isolation seines Postens mit jener der US-Botschaft in Hitlers Berlin verglich, kam seine Diplomaten-Karriere zum Ende. Er verließ den Dienst 1953 - erst unter Kennedy wurde er kurz noch einmal Botschafter in Jugoslawien -, um sich als Publizist und Wissenschaftler mit großem Erfolg zeitgeschichtlichen und aktuellen politischen Themen zu widmen. Kennan, Professor in Princeton seit 1956, gewann Pulitzerpreise mit zweien seiner Bücher, erhielt 29 akademische Ehrentitel sowie den Albert-Einstein-Friedenspreis.

Präsident George H. W. Bush ehrte Kennan 1989 mit der US-Freiheitsmedaille. Inzwischen hatte das Wettrüsten infolge der "militärischen Fehlinterpretation" seines Containment-Prinzips auch dank dem Marshall-Plan den Ostblock so ruiniert, dass seine Auflösung und der Untergang der realsozialistischen Regime besiegelt waren.

Folge einer Fehlinterpretation Dennoch sah Kennan selbst sehr klar, dass der Vietnamkrieg und viele andere Stellvertreterkriege und damit viele Zehntausend Tode ebenfalls eine Folge dieser Interpretation waren. Dem Vietnamkrieg war Kennan selbst in den Sechzigerjahren in einer vom Fernsehen übertragenen Anhörung des US-Senats entgegengetreten: Er appellierte an Präsident Johnson, diesen Krieg zu beenden, weil es in Vietnam keine US-Interessen zu verteidigen gelte.

Der frühere Außenminister Henry Kissinger würdigte Kennans Doktrin des Containments im Einklang mit der großen Mehrheit der Experten jedoch als jene, "die Amerika durch mehr als vier Jahrzehnte des Aufbaus, der Anstrengung, und, endlich, des Triumphs führte". Das Containment hat dabei möglicherweise den einen großen Krieg verhindert, weil der "Widerstand an jedem Punkt" jeden unmittelbaren Angriff offenbar aussichtslos erscheinen ließ.

Erst nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurde das Containment-Prinzip als überwiegend diplomatische Vorgehensweise der USA gegen Schurkenstaaten durch das Prinzip des "prä-emptiven Schlags" weitgehend verdrängt.

Quelle: (N24.de, Netzeitung) http://www.n24.de/politik/ausland/index.php/n2005031812331500002

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