SPD-Vize sieht in Scheitern des Umweltgesetzbuches ein Scheitern von Merkel
Archivmeldung vom 02.02.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber sieht mit dem Scheitern des Umweltgesetzbuches das "System Merkel am Ende". Bundeskanzlerin Angela Merkel sei "kein Thema richtig wichtig, alles ist strategisch, und am Ende kämpft sie nicht", sagte Kelber dem Tagesspiegel.
Merkel habe sich von einem "Ministerpräsidenten aus Bayern verbieten lassen, ein abgestimmtes Gesetz ins Kabinett einzubringen". Er hält das Scheitern des UGB für eine "Katastrophe", weil sie da "ein Riese selbst fesselt". Vom kommenden Jahr an werde es 16 unterschiedliche Wasser- und Naturschutzrechte in Deutschland, weil die Länder dann abweichende Regelungen treffen dürfen. "Auslandsinvestitionen werden dadurch massiv erschwert", sagte Kelber.
Grünen-Fritz Kuhn kritisiert das Scheitern des Umweltgesetzbuches
Das Umweltgesetzbuch sei "ein weiteres Großprojekt", bei dem die große Koalition an ihrem Anspruch "große Aufgaben brauchen große Mehrheiten gescheitert ist", sagte der Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn dem Tagesspiegel. In der CSU, an der das Umweltgesetzbuch schließlich gescheitert ist, werde trotz aller gegenteiligen Beteuerung immer "gegen die Schöpfung" entschieden, wenn auch nur eine negative Industrieerwartung an ein Projekt vermutet werde. Manchmal sei aber auch einfach eine "bürokratische Sturheit" im Spiel. Das Umweltgesetzbuch hätte als Erfolg für Umweltminister Sigmar Gabriel gegolten, und die CSU habe wohl das Gefühl gehabt, "dem gönnen wir es nicht".
Deutsche Umwelthilfe nennt Aufgabe des zentralen umweltrechtlichen Reformprojekts dieser Legislaturperiode einen "Schlag gegen die Zukunftsfähigkeit Deutschlands
Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hat das heute von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel bekanntgegebene Scheitern des Umweltgesetzbuchs als "Ausweis partieller Regierungsunfähigkeit der Großen Koalition" kritisiert. Wie schon bei den konzeptionslosen und kurzsichtigen Bewältigungsversuchen der Finanz- und Wirtschaftskrise zeige sich in der Aufgabe des zentralen umweltrechtlichen Reformprojekts dieser Legislaturperiode, "dass die Koalition ohne jeden Kompass immer nur auf Sicht fährt", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Die Regierung Merkel scheitere regelmäßig dann an den fundamentalen Widersprüchen unter den sie tragenden Parteien, wenn es um die mittel- und langfristige Zukunft Deutschlands gehe. Die Entscheidung gegen ein einheitliches Umweltgesetzbuch sei ein erneuter Schlag gegen die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. "Die Problemlösungskompetenz der Großen Koalition reicht immer nur bis zur nächsten Straßenecke."
Umweltminister Gabriel hatte heute das Scheitern des im Koalitionsvertrag vereinbarten Versuchs bekannt gegeben, das zersplitterte deutsche Umweltrecht zusammenzuführen und dafür "dumpfen Reformunwillen und blinde Blockadepolitik der Union", insbesondere der CSU, verantwortlich gemacht.
Nach Überzeugung der DUH hat bei dem Reformvorhaben "von Anfang an der politische Wille zu einem großen Wurf" gefehlt, erklärte die Leiterin Recht der DUH, Dr. Cornelia Nicklas. Die Rechtsexperten in den Ministerien seien von Beginn an auf die zwar juristisch anspruchsvolle aber gleichzeitig zukunftsvergessene Aufgabe reduziert worden, bestehende Gesetze in einem einzigen Regelwerk zusammenzufassen. "Am Ende mögen die CSU und die Agrarlobby in ihrem Rücken hauptverantwortlich sein für das endgültige Scheitern. Doch schon lange war klar, dass der von Umweltverbänden und Rechtsexperten außerhalb der Regierung vehement eingeforderte ökologische Mehrwert des Umweltgesetzbuchs es nie bis auf die Tagesordnung geschafft hat." So hätte kein UGB-Entwurf die Klimakrise als größte derzeit erkennbare ökologische Herausforderung des 21. Jahrhunderts auch nur thematisiert.
Die DUH erwartet, dass die Folgen des Scheiterns und des nun zu befürchtenden "weiteren Zerfledderns der Umweltgesetzgebung in Bund und Ländern" kurzfristig vor allem mittelständische Unternehmen zu zahlen haben, die sich bei ihren Investitionsvorhaben weiter mit hochkomplexen, aufwändigen und in den Bundesländern zunehmend uneinheitlichen Genehmigungsverfahren herumschlagen müssen. Mittel- und langfristig drohe "die Erosion bereits erreichter Standards im Natur- und Umweltschutz", erklärte Nicklas.
Quelle: Der Tagesspiegel / DUH